«Ich war schon gestresst und nervös. Vor allem hatte ich Angst, dass ich die ganze Informatik nicht mehr auf die Reihe kriege», erzählt Alina*. Der Grund für Alinas Angst war ihre berufliche Pause und ihr Entscheid, diese zu beenden. Acht Jahre hat die heute 41-Jährige ihre Zeit ganz in die Familie investiert. Seit September 2021 geht Alina wieder einer Erwerbsarbeit nach: in einer anderen Branche, einer anderen Position und in einem tieferen Pensum als vor ihrer Familienzeit. Ihre Kinder waren beim Wiedereinstieg sieben und fünf Jahre alt. «Ich hatte mehr Zeit und wieder Lust, zu arbeiten», erzählt sie.

Mit ihrem Werdegang ist Alina nicht alleine. In der Schweiz bleiben mit dem ersten Kind fast 20 Prozent der Mütter zu Hause und geben ihre Erwerbsarbeit auf. Mit dem zweiten Kind sind es sogar gut 30 Prozent. Der Anteil jener Frauen, die aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, hat in den letzten Jahren zwar abgenommen. Gleichzeitig stieg jedoch die Zahl der Mütter mit Teilzeitpensen. So arbeiten 90 Prozent der Mütter mit Kindern unter 13 Jahren Teilzeit, fast drei Viertel von ihnen in einem Pensum unter 70 Prozent. Wenig überraschend: Bei den Männern hat die Vaterschaft kaum einen Effekt auf ihre Berufstätigkeit. Sie arbeiten grösstenteils im gleichen Pensum wie vor den Kindern weiter.

Alina
Hätte ich gearbeitet, wäre es organisatorisch schwierig gewesen. Diesen Stress wollte ich nicht, auch weil er sich finanziell zu wenig gelohnt hätte.

Viele scheitern an der Vereinbarkeit

Einer der Hauptgründe, weshalb Mütter ihre Karriere hinter die Familie stellen, ist die Krux mit der Vereinbarkeit. Für viele ist es schwierig oder nur mit viel Aufwand möglich, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Zu wenig Betreuungsplätze, hohe Betreuungskosten, schlechte Löhne oder zu wenig Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten sowie Arbeitsort zählen zu den grössten Herausforderungen.

Auch bei Alina kam das Thema Vereinbarkeit auf, obwohl es nicht der Hauptgrund für ihre Entscheidung war, wie sie betont: «Ich wollte zu Hause bleiben und möglichst viel Zeit mit meinen Kindern verbringen. Meine Karriere war mir nicht so wichtig.» Gleichzeitig hätten gewisse äussere Umstände ihren Entscheid bestärkt: Alinas Mann arbeitete unregelmässig, teilweise auch an Wochenenden sowie nachts; die nächste Kita war ein Stück weg, im Dorf, in dem sie lebte, gab es keine; ihre Familie wohnte nicht in der Nähe und konnte bei der Betreuung nicht unterstützen; und ihr Einkommen wäre grösstenteils für die Kita-Kosten draufgegangen. «Hätte ich gearbeitet, wäre es organisatorisch schwierig gewesen. Diesen Stress wollte ich nicht, zumal er sich auch finanziell zu wenig gelohnt hätte.»

Als Alinas Kinder grösser wurden und aufgrund des Kindergartens und der Schule öfter weg waren, hatte sie das Bedürfnis nach einer intellektuellen Herausforderung. Gefunden hat sie diese in einem KMU. Dort arbeitet sie 40 Prozent in der Buchhaltung. «Das ist für mich eine neue Welt und auch gar nicht meine Kompetenz. Ich war früher in einem Grossunternehmen im Marketing- und Eventbereich. Mit Buchhaltung hatte ich nichts zu tun», erzählt sie.

Die aktuelle Stelle sei ihr zugeflogen, erinnert sie sich. «Über meinen Mann erfuhr ich, dass das Unternehmen Leute sucht für die Bereiche Administration und Buchhaltung.» Alina traf sich mit dem Geschäftsführer zu einem Gespräch. Dann passierte erst mal nichts. Die Bedingungen hatten seitens Unternehmen nicht gepasst. Fast ein Jahr später meldete sich der Geschäftsführer wieder bei ihr und bot ihr einen Job in der Buchhaltung an. «Ich hatte Lust auf etwas Neues, aber ich hatte auch klare Bedingungen. Damit es mit der Familie funktioniert, wollte ich ein 40-Prozent-Pensum und keine fixen Arbeitstage.» Das bekam sie.

Ein Wiedereinstieg mit Rückschritten

Der Grossteil der Mütter, die sich für einen Wiedereinstieg entscheiden, tut dies, wenn die Kinder mehr Zeit ausser Haus verbringen. Die durchschnittliche Familienpause beträgt fünf Jahre. Das zeigt ein Bericht des Bundes, der sich mit dem Wiedereinstieg von Frauen befasst. Bei 85 Prozent dieser Mütter ist der wichtigste Grund für den Wiedereinstieg der Ausgleich zur Familie. Bei 58 Prozent spielen finanzielle Gründe eine Rolle, weil sie beispielsweise aufgrund einer Scheidung oder Trennung auf das Einkommen angewiesen sind.

Klassisch ist auch, dass Frauen nach der Familienzeit in eine tiefere Position wiedereinsteigen und damit auf der Karriereleieter einen Schritt zurück machen. Laut dem Bericht des Bundes übernehmen gut ausgebildete Frauen mit Kindern oft Funktionen, die unter ihren Qualifikationen liegen. Frauen mit tieferen Qualifikationen arbeiten hingegen häufig in prekären Arbeitsverhältnissen. Dazu zählen befristete Stellen oder Stundenlöhne ohne vertraglich vereinbarte Stundenzahl.

Kristin Fuchs, Head of Career Transition Programmes, HSG
Viele Mütter sind beispielsweise effizient, können priorisieren und sind gut organisiert. All das sind Stärken, die auch Unternehmen schätzen.

Die Lebensläufe von Frauen fallen durchs Raster

Dass Alina so unkompliziert wieder in die Berufswelt einsteigen und ihre Forderungen stellen konnte, ist eher eine Ausnahme. Für viele Frauen, die mehrere Jahre weg waren vom Arbeitsmarkt, ist der Wiedereinstieg eine Herausforderung.  Das liegt allerdings weniger an den Frauen als an den Arbeitgeber:innen sowie den Strukturen und Abläufen in den Unternehmen. Denn die Lebensläufe von Müttern fallen bei vielen Unternehmen durchs Raster. «Nicht-lineare Lebensläufe und Karriere-Unterbrüche sind für Arbeitgeber:innen nicht immer einfach, weil sie die Ausnahme sind», sagt Kristin Fuchs. Sie verantwortet das Programm «Women back to Business» an der Universität St. Gallen. Das Programm unterstützt hochqualifizierte Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben und ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Besonders bei Grossunternehmen, in denen  Lebensläufe in einer ersten Runde oft von einer künstlichen Intelligenz aussortiert  werden, sei es für Frauen schwierig, einen Fuss reinzubekommen. «Wenn in den Lebensläufen nicht die gefragten Stationen vorkommen, die Kompetenzen nicht genau passen oder wenn da Lücken sind, haben die Bewerberinnen kaum Chancen. Sie fallen früh aus dem Bewerbungsprozess», so Kristin Fuchs. Daniela Haze Stöckli, Partnerin und Coach bei der Karriere-Agentur mindyourstep, bestätigt dies. «Das Wichtigste bei einem Wiedereinstieg ist darum, sich vorgängig zu fragen: Was will ich? Was kann ich? Was bringe ich mit? Man muss seine Kernkompetenzen herausschälen und diese im Lebenslauf und im Motivationsschreiben deutlich abbilden.»

Netzwerken und weiterbilden während der Familienzeit

Ähnliches gilt für Bewerbungsgespräche. «Man muss sich und seine Fähigkeiten gut rüberbringen. Nur so überzeugt man», sagt Haze Stöckli. Doch gerade für Frauen, die längere Zeit nicht in der Arbeitswelt aktiv waren, ist dieses Leuchten nicht so einfach. Vielen fehlt das Selbstvertrauen. Sie fühlen sich zu wenig kompetent. «Ich hätte mich nie getraut, meinen Lohn hart zu verhandeln», erinnert sich auch Alina. Nach einer achtjährigen Pause sei sie einfach froh gewesen, überhaupt einen Job zu bekommen.

Daniela Haze, Karriere-Coach
Wenn heute jemand zwei Jahre um die Welt gereist ist, dann finden das alle cool. Wenn sich aber eine Frau zwei Jahre um die Kinder gekümmert hat, dann entstehen ihr dadurch Nachteile.

Kristin Fuchs kennt solche Situationen. Sie empfiehlt Frauen, die unsicher sind, die eigenen Fähigkeiten möglichst objektiv zu betrachten oder von jemand anderem aufzählen zu lassen. «Man muss sehen, was man in der Familienzeit geleistet hat, und daraus Stärken ableiten. Viele Mütter sind beispielsweise effizient, können priorisieren und sind gut organisiert. All das sind Stärken, die auch Unternehmen schätzen», so Fuchs. Sowohl Haze Stöckli als auch Fuchs empfehlen, auch während der Familienzeit in einer gewissen Form beruflich aktiv zu bleiben, ein Business-Netzwerk zu pflegen, sich weiterzubilden oder sich freiwillig zu engagieren. Oder noch besser, in einem kleinen Pensum erwerbstätig zu bleiben. Auch wegen der Altersvorsorge – denn nur wer erwerbstätig ist, kann in die zweite und dritte Säule einzahlen.  

Unternehmen müssen umdenken – auch wegen des Fachkräftemangels

Auf der anderen Seite sehen die beiden Expertinnen auch die Unternehmen in der Pflicht. Diese müssten sich bewusst sein, dass Karrieren, und vor allem jene von Frauen, nicht linear verlaufen. «Wenn Unternehmen die besten Talente und Diversität wollen, müssen sie unter anderem für die weiblichen Karrierewege offen sein», sagt Fuchs.

Gerade im Hinblick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage und den drohenden Fachkräftemangel wird der berufliche Wiedereinstieg von Frauen immer wichtiger. Gemäss einer aktuellen Studie werden bis Ende 2023 über 200'000 Stellen in der Schweiz unbesetzt bleiben, bis 2025 sollen es ganze 365'000 sein. Diverse Wirtschaftsorganisationen – beispielsweise der Arbeitgeberverband – fordern, dass das Potenzial von Frauen und insbesondere von Müttern besser genutzt werden müsse.

Dazu gehört auch, dass Unternehmen die Lücken, die durch Familienarbeit entstehen, anders betrachten. «Wenn heute jemand zwei Jahre um die Welt gereist ist, dann finden das alle cool. Wenn sich aber eine Frau zwei Jahre um die Kinder gekümmert hat, dann entstehen ihr dadurch Nachteile. Das kann nicht sein», so Haze Stöckli.

Alina ist inzwischen seit mehr als einem Jahr wieder erwerbstätig. Ihren Entscheid, acht Jahre der Familie zu widmen, bereut sie nicht, genauso wenig wie ihren Wiedereinstieg. «Wir haben einen Weg gefunden, der für uns als Familie ideal passt. Besser könnte ich es mir gerade nicht vorstellen.»

Investierst du deine Zeit gerade voll in die Familie? Willst du wieder in die Arbeitswelt einsteigen? Das sind die Tipps der Expertinnen.

Worauf soll ich während der Familienzeit achten?

  • Bewirtschafte dein Netzwerk: Pflege deine Beziehungen zu Arbeitskolleg:innen weiter. Das kann bei einem informellen Kaffee oder Mittagessen sein. Es gibt aber auch offizielle Business-Events und Veranstaltungen, an denen du teilnehmen kannst.
  • Bilde dich weiter: Achte darauf, dass du während der Familienarbeit den Anschluss nicht verlierst. Wenn du nicht viel Zeit hast, sind vielleicht Abend- oder Onlinekurse eine gute Möglichkeit.
  • Engagier dich freiwillig: Auch bei einer freiwilligen Tätigkeit kannst du Kompetenzen fördern, ein Netzwerk aufbauen und an deiner Sichtbarkeit arbeiten.

Auf welche Stellen kann ich mich bewerben?

Überleg dir, in welchem Bereich und in welchem Pensum du tätig sein möchtest. Grundsätzlich kannst du dich auf Positionen bewerben, die deiner Stelle vor der Familienzeit entsprechen. Natürlich kannst du auch einen Aufstieg versuchen. «Frauen, die während der Pause am Ball geblieben sind, müssen sicher nicht zurückbuchstabieren», sagt Daniela Haze Stöckli.

Wie gestalte ich mein CV?

Hier ist es wichtig zu wissen, wo du dich bewirbst: Bewirbst du dich bei Grossunternehmen, musst du wissen, dass vermutlich eine künstliche Intelligenz die CVs in einer ersten Runde aussortiert und nicht ein Mensch. Um den Algorithmus zu füttern, solltest du:

  • die Schlagworte aus dem Stelleninserat wiederholen
  • dein CV so lückenlos wie möglich gestalten. Das gelingt, indem du allfällige Weiterbildungen oder Aktivitäten während der Familienzeit aufführst

Bewirbst du dich bei einem KMU, kannst du das CV etwas freier gestalten. Hier ist es wichtiger, dass du aus der Masse herausstichst – beispielsweise mit einer attraktiven optischen Gestaltung.

Allgemein wichtig für dein CV:

  • Erwähne deine Pause, erwähne aber auch alles, was du in dieser Zeit gemacht hast (Freiwilligenarbeit, Weiterbildungen, Netzwerkpflege etc.).
  • Schäle deine Stärken heraus, vor allem all jene, die für die Stelle, auf die du dich bewirbst, wichtig sind.
  • Nenne deine fünf wichtigsten Kompetenzen, von denen das Unternehmen profitieren kann.
  • Aktiviere dein Netzwerk für Referenzen.
  • Hol dir bei Bedarf Hilfe von einer Fachperson aus dem Bereich Karriere- und Laufbahnberatung.
Daniela Haze
Frauen, die während der Pause am Ball geblieben sind, müssen sicher nicht zurückbuchstabieren.

Was schreibe ich in mein Motivationsschreiben?

Im Motivationsschreiben geht es darum, dich vorzustellen und dem Unternehmen klarzumachen, warum gerade du ideal für die Stelle bist. Du kannst hier deine Stärken, Kompetenzen und Erfolge erwähnen. Auch hier solltest du kurz auf die Familienzeit eingehen. «Man soll und muss diese nicht verheimlichen. Wichtig ist, sie zu erwähnen und darauf aufzubauen», sagt Haze Stöckli. Und zwar zum Beispiel so: «Ich habe mich vier Jahre meiner Familie gewidmet und bin nun bereit und hochmotiviert, wieder in der Arbeitswelt etwas zu bewegen.»

Was muss ich fürs Bewerbungsgespräch wissen?

  • Verinnerliche deinen Elevator-Pitch: Beim Vorstellungsgespräch geht es darum, dich als Person zu präsentieren. Du erzählst: wer du bist; was du bisher gemacht hast; was deine Kernkompetenzen sind; warum du für diese Stelle brennst; welche Vorteile du dem Unternehmen bringst. «Dieser Teil des Gesprächs muss sitzen, hier kannst du leuchten», sagt Daniela Haze.
  • Geh kurz auf deine Familienzeit ein, verteidige dich aber nicht dafür. Erwähne, wie lange du dich der Familie gewidmet und warum du dich dafür entschieden hast. Dann führe aus, was du in dieser Zeit gemacht hast, um am Ball zu bleiben, warum du bereit bist, wieder einzusteigen und welche Vorteile du mitbringst. Der zweite Teil sollte länger sein als der erste.
  • Übe das Gespräch vorgängig mit einer Fachperson oder mit Freund:innen.
  • Filme deinen Elevator-Pitch und schau dir an, wie du wirkst.
  • Überleg dir gute Fragen zum Unternehmen oder zur Stelle.
  • Fragen zur weiteren Familienplanung oder zur Organisation der Kinderbetreuung musst du nicht beantworten.
  • Überleg dir, wieviel du verdienen möchtest, und informier dich vorgängig über Branchenüblichkeit.

Wie gehe ich mit Absagen um?

Grundsätzlich solltest du dich von Absagen nicht entmutigen lassen. Sie gehören zum Bewerbungsprozess einfach dazu. Trotzdem lohnt es sich, sie ein bisschen zu analysieren:

  • Wann im Prozess bekomme ich die Absagen? Wenn du mehrfach gar nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wirst, stimmt vermutlich etwas mit dem CV nicht. Prüfe es genau oder lass es von einer Fachperson checken. Wenn du mehrfach nach dem Vorstellungsgespräch herausfällst, musst du vielleicht noch an deinem Auftritt feilen. Übe das Gespräch mit jemandem und sei dabei kritisch.
  • Frag nach, warum du eine Absage bekommen hast, vor allem nach einem Vorstellungsgespräch. Die Rückfrage ist wie ein Debriefing, das dir viel bringen kann. Du kannst daraus fürs nächste Gespräch lernen.

Daniela Haze Stöckli: «Am Ende braucht man immer auch ein Quäntchen Glück, um eine Stelle zu bekommen. Wenn es nicht klappt, sollte man sich auf keinen Fall entmutigen lassen. Im Gegenteil: Man sollte dranbleiben, nach den Gründen für die Absagen fragen und sich noch fokussierter und klarer präsentieren.»

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