Dominic Deville ist zweifacher Vater, hatte eine Late Night Show und bringt sein eigenes Programm auf die Bühne. Warum er als Mann so gerne im Rampenlicht steht, weshalb sein Humor so bissig ist und wie er den Familienalltag meistert, erzählt er in den Männerfragen.
Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven. Wir wollen auch Männer auf der Plattform ansprechen und zu unseren Botschaftern machen.
Warum bist du so eine Rampensau?
Mein Credo war schon immer: Wenn man sich schon auf eine Rampe oder eben Bühne stellt, muss gefälligst was passieren. Und zwar etwas, das mich als Zuschauer:in mit offenem Mund zurücklässt. Diesen Anspruch habe ich an mich selber. Als Vegetarier würde ich aber die Bezeichnung «Rampen-Chabis» vorziehen.
Bis letztes Jahr hattest du deine eigene Satiresendung bei SRF. Warst du zu sensibel für eine grosse Show, oder wurdest du gar gezwungen zu gehen?
(Atmet tief ein.) Da muss man sich fragen, von wem? Das SRF hat mich nicht gezwungen aufzuhören, die Familie auch nicht. Die Kinder wollten eher, dass ich noch bleibe. Sie hatten Angst, dass kein Geld mehr reinkommt.
Also doch zu sensibel?
Der Kraftaufwand und der Verschleiss waren sicher gross. Ich habe gemerkt, wie es meinem geliebten fantastischen Team immer besser ging. Aber für mich wurde es immer anstrengender. Ich hatte immer mehr Druck. Ich bin ein Mensch, der viele Interessen hat, und ich konnte diverse Projekte nicht realisieren, weil mein Fernsehjob viel Zeit beanspruchte. Eine Sendung zu haben mit meinem eigenen Namen war aber auf jeden Fall ein absoluter Traumjob. Ich habe nie darauf spekuliert. Als ich ihn hatte, hat er mir sehr viel gegeben, aber auch einiges genommen.
Hast du manchmal auch auf fremde Formate geschielt? SRF Meteo, du bist ja schön anzusehen?
Nein, das ist tatsächlich eine Frage, die oft kommt, ob ich mal Lust habe auf eine andere Sendung. Aber ich wüsste nicht, was noch kommen sollte nach einer Satiresendung am Sonntagabend, die den eigenen Namen trägt. Meteo wäre mir klar zu wechselhaft.
Deine Frisur wird oft thematisiert. Ein Problem?
Meine Frisur? Das einzige Thema ist, dass hinten nichts mehr da ist und sich eine Glatze formiert. Ich glaube, früher wurde mehr über meine Frisur diskutiert, mit meinen Eltern beispielsweise, als ich noch Punk war. Auch als ich im Kindergarten gearbeitet habe, war die Frisur wichtiger.
Was hat denn ein Kindergärtner idealerweise für eine Frisur?
Damals gab es ja noch nicht «den» Kindergärtner. Ich durfte das mitprägen. Eigentlich gibt es das Berufsbild heute immer noch nicht. Es gibt Vorstellungen, die waren ungefähr so wie Peter Lustig. Also Vollglatze. Da bin ich ja noch glimpflich davongekommen.
TV-Männer werden stärker kritisiert wegen ihrer Optik, da sind wir uns einig?
(Atmet tief aus.) Schaue ich mir TV-Männer an, sollten sie stärker kritisiert werden. Es ist schon extrem abscheulich, wie sie aussehen. Diese Anzüge und Krawatten! Wir haben darauf geachtet, dass wir immer extrem gut aussehen in unserer Show. Ich habe mich immer gefreut, wenn es positives oder negatives Feedback gab. Als Satiriker konnte ich das immer gut brauchen.
Warum?
Als Satiriker ist es wichtig, dass dich überhaupt irgendjemand wahrnimmt. Satire heisst ja Umkehrung. Das bedeutet, wir müssen die Dinge umkehren, damit es etwas bringt.
Dein Humor ist ungewöhnlich bissig; etwas sehr böse für einen Mann?
Naja. Gegen Michelle Kalt, Patti Basler oder Jane Mumford bin ich ein «Rampen-Kaninchen» … ich meine «Rampen-Rüebli».
Wer bist du ohne das Scheinwerferlicht?
Das ist eine Frage, die mich extrem beschäftigt hat in den letzten Monaten, da ich tatsächlich Zeit ohne Scheinwerferlicht hatte. Ich finde, ich bin sehr zurückhaltend, extrem gerne Vater, extrem gerne mich selbst. Ich schaue dann eben nicht ständig in den Spiegel, wenn ich irgendwo hingehe. Es ist aber tatsächlich so, dass ich mich momentan neu finden muss.
Hast du auch so etwas wie Existenzängste im Hinblick auf deine neue Karriere?
Nein. Ich hatte noch nie Existenzängste. Oder ich kann mich nicht daran erinnern. Ich habe einiges an Selbstvertrauen von meinen Eltern bekommen, und ich habe das Gefühl, dass ich viel aus mir selber schöpfen kann, solange die Gesundheit mitspielt. Obwohl: Ich hatte einmal komplett die Stimme verloren während einer Staffel. Sie ist mein Markenzeichen. Wäre sie weg, wäre das schon schlimm. Obschon, ein Pantomimen-Programm zu gestalten, wäre auch mal was. Das wird in der Comedy noch zu wenig genutzt.
Du wolltest noch über deine neue Show «OFF» sprechen. Wie bist zu einer eigenen Bühnenshow gekommen, und was qualifiziert dich dafür?
Der Antrieb war der Salzburger Stier. Das ist der wichtigste Bühnenpreis der Kleinkunstszene. Da hat mich der Stier auf die Hörner genommen, und das gab mir den letzten Kick, zurück auf die Bühne zu gehen. Der Preis hat mir gezeigt, dass es Leuten etwas bedeutet, was ich auf der Bühne mache. Klar spielt auch der Ehrgeiz mit, eine neue Erfahrung zu machen und meinen Weg zu finden. Was qualifiziert mich? Dass die Leute mich gerne sehen und dass es das ist, was ich gut kann und was ich meistens gut mache.
Du wirst bald 50. Macht dir diese Zahl Angst?
Nein, im Gegenteil! 48 und 49 sind viel mühsamere Zahlen. Lustigerweise sage ich schon überall, ich bin 50, und meine Kinder sagen immer: «Hör auf, das zu sagen, du bist noch nicht so alt!» Ich persönlich habe die Vierziger gesehen, die waren sehr intensiv. Jetzt bin ich gespannt auf Fünfzig plus. Nur die körperlichen Gebrechen, die nehmen zu. Kürzlich habe ich mich im Alpamare verletzt. Da habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr alles mitmachen muss. Das ist zuerst ärgerlich, aber auch sehr beruhigend.
Du bist so philosophisch für einen Mann; vielleicht ein neues Genre für dich?
Das ist mir zu schwer und geht mir zu tief. Ich bin schon jemand, der gerne etwas zusammenknüllt und hinter sich wirft. Ich mag keine Dinge, die so lange Bestand haben, ausser Beziehungen. Da lebt in mir der Punk: Rip it off, and start it again.
Ist ja auch eine Philosophie.
Stimmt, aber eine, die nicht so lange trägt, leider.
Hattest du je Probleme, dich selbst zu lieben?
Ja, immer wieder! Zehn Minuten vor einem Auftritt, da würde ich nicht sagen, dass ich mich gerade hasse. Aber ich verfluche es, dass dieser Beruf anscheinend das ist, was ich machen muss und darf. In diesen Momenten wäre ich lieber Fernfahrer und würde nach Milano fahren und Käse abladen.
Wie regeln du und deine Familie aktuell den Alltag?
Wie immer in den letzten sieben Jahren: der pure Planungswahnsinn und der regelmässige Hilfeschrei nach den Grosseltern.
Was für eine Mutter ist deine Partnerin?
(Sinniert lange vor sich hin.) Das ist eine ganz eigenartige Frage. Ich kann das ja nur mit meiner eigenen Mutter vergleichen. Und da ist sie sicher eine engagiertere Mutter, als es meine war.
Warum, was war mit deiner Mutter?
Ich war eher ein Papi-Kind. Er ist und war immer eine «sichere Bank». Zuverlässig, ruhig, besonnen. Mit meiner Mutter erlebte ich eher verrückte Sachen, aber auch gestiftetes Chaos, das sie anrichten konnte. Das war ihre Art, Liebe zu geben.
Wie teilt ihr euch das Familienleben und das Leben als Paar?
Die klassische Frage! Uns war von Anfang an wichtig, dass meine Partnerin nicht im Hintergrund stehen bleibt. Sie ist Schauspielerin und gewohnt, auf der Bühne zu stehen. Mir war wichtig, dass sie überall dabei ist, sie war schon immer meine beste Beraterin. Ich habe Theaterstücke geschrieben, die sie aufgeführt hat. Sie hat im Gegenzug für die Sendung geschrieben und in meinem neuen Stück Regie geführt. Mir ist wichtig, dass wir beide ein gutes Leben zusammen haben.
Wie würdest du reagieren, wenn sich eines deiner Kinder bei der Jungen SVP engagieren würde?
Boah, Junge SVP sind so extrem und überbordend, da muss man glaube ich als Elternteil davon ausgehen, dass es nur eine Phase ist, die vorbeigeht. Ich könnte mir das nicht anders erklären, als dass es eine Ausgeburt von jugendlichem Wahnsinn wäre, mit dem man sich ein Ventil verschaffen muss. Mir wären ja die Klima-Kleber lieber, obwohl ich mir mehr Sorgen machen würde, weil sie rein körperlich gefährdeter wären als bei der Jungen SVP. Das Schlimmste wäre ein Mischung: Ein junger SVP-Kleber. Wenn sich eins meiner Kinder dort ankleben und bleiben würde.
Deine Tochter hat einen Namen, der auch als Bubenname funktioniert. Wie stehst du zum dritten Geschlecht?
Mir fällt gerade auf: Meine Frau und ich haben ebenfalls Namen, die für alle Geschlechter passen. Welches ist eigentlich das erste Geschlecht? Der Mann oder die Frau?
Sag du es mir.
Ich stelle mir grad zum ersten mal diese Frage. Ich glaube, ich stehe zum dritten Geschlecht genau gleich, wie ich zum ersten und zum zweiten Geschlecht stehe: Es ist da, es existiert, es regt mich nicht auf. Wenn es nötig ist, unterstütze ich es, ich hoffe aber, dass es bald nicht mehr nötig sein wird.
Die ersten beiden Geschlechter haben je ein eigenes WC. Das dritte nicht.
Ich bin der Letzte, den man fragen muss. Da muss man bei non-binären Menschen fragen, wie es für sie stimmt. Für mich ist es kein Problem, weil ich in der privilegierten Lage bin, zum ersten oder zum zweiten Geschlecht zu gehören. Wir sind ja in einer Phase des Übergangs, es sind extrem spannende Fragen, und die Gräben, die sich auftun, geben mir viel Stoff, um mich in diese Leute einzudenken.
Die Gegner oder die non-binären Menschen?
Beides finde ich interessant mitzudenken. Wenn eine weibliche Person sagt, sie fühle sich bedroht, wenn ein «Mann» in die Toilette reinkommt, frage ich mich, ob das oft passiert, dass Männer in genderneutrale Toiletten reinkommen? Aber es gab wahrscheinlich auch keine Zeit der Welt, in der so viel über Toiletten diskutiert wurde, und gleichzeitig ist es eine Notwendigkeit, dass wir darüber sprechen, auch wenn es sich merkwürdig anfühlt.
Du bist ja ungewohnt gesellschaftspolitisch progressiv für einen Mann.
Wir waren die erste Sendung im Schweizer Fernsehen, die gegendert hat!
Bist du Feminist?
Das hängt von der Definition ab.
Das sind Menschen, die sich für die Gleichberechtigung aller Menschen einsetzen.
Dann auf jeden Fall. Aber ich bin ungern Sachen mit einem -ist hintendran. Das widerstrebt mir. Kommunist, Kapitalist, Pazifist, Lagerist. Gerade für letzteres bin ich viel zu faul.
Warum?
Weil ich diese Radikalität nicht mehr so leben will. Ich höre gerne zu, auch einem SVP-Jungpolitiker.
Was interessiert dich denn da?
Die Argumente, und ob ich die Argumente verstehen kann. Es ist ja auch wichtig, sie zu verstehen. Bei uns in der Sendung war es verpönt, SVP-Bashing zu betreiben. Wir haben es vermieden, ihnen diese Aufmerksamkeit zu schenken. Immer ist es uns nicht gelungen. Dafür waren ihre Ansichten einfach zu kurios!
Wie waren diese Männerfragen für dich?
Es kamen natürlich die Klassiker nach Aussehen und Aufteilung, Beruf und Familie, bei denen ich mich immer noch wundere, dass die noch jemand stellt. Und dann noch beantwortet! Ich hatte mich noch vorbereitet auf die, die Frage, wie schaffst du das alles als Papa? Insgesamt sind es eher unangenehme Fragen gewesen, egal, wen sie gefragt werden.