Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Ich habe ein recht neutrales Verhältnis zu Geld und kann gut darüber reden. Das ist schon mal positiv. Allerdings habe ich oft ein bisschen zu wenig Geld – auch weil ich zu viel ausgebe. Die Knappheit löst bei mir aber nicht unbedingt negative Gefühle aus.
Dann stresst es dich nicht, wenn du zu wenig Geld hast?
Nein, nicht mehr. Ich kenne das aus meiner Studienzeit sehr gut, und ich kenne auch den Stress, der damit verbunden ist. Aber heute weiss ich, dass ich es immer irgendwie geschafft habe und dass ich mit wenig Geld leben kann. Interessant ist: Obwohl ich inzwischen mehr verdiene, habe ich Ende Monat nicht viel mehr auf dem Konto als früher. Ich gebe offenbar immer so viel aus, wie ich kann.
Dein Umgang mit Geld scheint sehr intuitiv. Oder hast du ein Budget und hältst dich einfach nicht daran?
Ich habe sicher schon zehn Budgets in meinem Leben gemacht. Das macht mir Spass, auch weil ich genaue Pläne mag. Trotzdem passiert auf meinem Konto immer was komplett anderes, als ich mir vorgenommen habe, weil ich mich schlicht nicht ans Budget oder den Plan halte (lacht).
Wofür gibst du denn dein ganzes Geld aus?
Ich gebe am meisten Geld aus für Reisen und gutes Essen wie Fine Dining. Wenn ich mehr als drei Tage am Stück frei habe, gehe ich weg. Ausserdem unternehme ich gerne grosse Reisen, beispielsweise war ich zweieinhalb Wochen in Vietnam. Wenn ich reise, will ich nicht sparen. Ich gebe in den Ferien meistens alles aus, was ich habe. Erst wenn ich zurückkomme, schaue ich aufs Konto und trete kürzer. Dann macht es mir nichts aus. Mein finanzielles Laster ist zudem, dass ich gerne shoppe. Da bin ich aus unterschiedlichen Gründen nicht sehr stolz darauf: Einerseits ist es nicht nachhaltig, andererseits will ich gar nicht so viel besitzen, und schliesslich gebe ich viel Geld dafür aus. Darum versuche ich jetzt, hier meinen Konsum etwas zu reduzieren.
Du hast gesagt, es fällt dir leicht, über Geld zu reden. Mit wem sprichst du über das Thema?
Ich rede am meisten mit meiner Schwester über Geld. Sie hat eine ganz andere finanzielle Situation als ich. Sie ist Coiffeuse und verdient unfassbar wenig, hat aber trotzdem viel mehr Geld als ich, weil sie sparsamer damit umgeht. Auch zwischen meiner Mutter und mir ist Geld immer mal wieder ein Thema. Meine Mutter ist Hebamme, die verdienen viel zu wenig. Sie war lange Zeit freischaffend. Vor Kurzem hat sie sich wieder fest anstellen lassen. Sie musste deshalb das erste Mal seit langer Zeit wieder mal eine Lohnverhandlung führen und war total verloren. Ich konnte sie beraten. Das war eine sehr schöne Mutter-Tochter-Situation.
Das heisst, du hast Übung mit Lohnverhandlungen?
Naja, ich hatte in den letzten Jahren mehrere Situationen, in denen ich meinen Lohn verhandeln oder mehr für mich einfordern musste. Dadurch habe ich etwas Übung bekommen.
Wie waren diese Verhandlungen für dich?
Ich fand es schwierig, meiner Arbeit einen Wert zu geben und eine Zahl dafür zu nennen. Ich glaube, das fällt den meisten Menschen schwer. Aber ich hatte diesbezüglich eine Erleuchtung, die mir bei den Verhandlungen geholfen hat.
Da bin ich jetzt gespannt. Erzähl doch mal.
Ich habe vor ein paar Jahren ein Angebot für eine Stelle bekommen. Ich wollte meine damalige Stelle nicht wechseln, trotzdem wurde mir klar: Jemand will dich, jetzt musst du daraus etwas machen. Also ging ich zu meinem damaligen Chef und sagte, ich hätte ein anderes Angebot mit einem besseren Lohn. Wenn er mich behalten wolle, müssten wir verhandeln. Ich war natürlich total nervös vor diesem Gespräch, aber ich wusste, dass das für mich eine gute Chance ist. Und am Ende hat es sich gelohnt, ich habe eine Lohnerhöhung bekommen. Diese Situation hat mich auch auf meine Lohnverhandlung für meinen aktuellen Job bei SRF Virus vorbereitet.
Wie hast du da verhandelt?
Da bin ich mit einem recht hohen Lohn rein. Ich habe im Vorstellungsgespräch einen Monatslohn von 7400 Franken auf 100 Prozent gefordert. Mir war bewusst, dass das eine hohe Forderung ist. Ich fand es total unangenehm, diese Zahl zu sagen. Trotzdem war es mir wichtig, hoch zu pokern. Der Programmleiter, der mir damals im Zoom-Call gegenüber sass, schmunzelte anerkennend. Ich sah, dass er dachte: Da weiss eine, was sie will. Gleichzeitig sagte er mir, dass meine Forderung den Rahmen sprenge, sie mir aber ein Gegenangebot unterbreiten würden. Jetzt verdiene ich 6600 Franken brutto auf 100 Prozent.
Bist du damit zufrieden?
Ja. Für mein Alter, meine Erfahrung und meine Ausbildung ist der Lohn angemessen. Ich verdiene jetzt mehr als bei meiner vorherigen Stelle bei einem privaten Sender, obwohl mir früher etwa siebenmal so viele Leute zugehört haben. Aber die privaten Sender haben finanziell weniger Spielraum. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Morgenshow-Moderator:innen, die zwischen 3 und 4 Uhr morgens aufstehen für ihren Job, eigentlich alle mindestens eine Sechs vorne bei ihrem Lohn haben sollten – unabhängig vom Alter. Das ist das Minimum für alles, was man für den Job in Kauf nimmt.
Hast du mal Lohnungleichheit erlebt?
Ja, ganz früh in meiner Karriere. Ich war 20 Jahre alt, habe bei einem kleinen Radio gearbeitet und bin in eine Führungsposition gerutscht. Wir hatten zu dritt die redaktionelle Leitung, ich und zwei Männer. Fairerweise muss man sagen, dass einer der beiden etwas älter war als ich, der andere aber nicht. Irgendwann habe ich erfahren, dass die beiden jeweils fast 400 Franken mehr Lohn bekamen, obwohl wir alle gleich viel Verantwortung hatten. Ich habe mich dort bei meinen Vorgesetzten beschwert, obwohl es mich sehr viel Mut gekostet hat. Wie es ausging, weiss ich gar nicht mehr, weil ich sowieso kurz darauf gekündigt habe und es dann gar keine grosse Rolle mehr gespielt hat.
Du hast deinen aktuellen Lohn vor einiger Zeit öffentlich gemacht. Warum?
In dem Format, in dem ich meinen Lohn öffentlich gemacht habe, habe ich mir gar nicht so viel dazu überlegt. Mir war die Sprengkraft dieser Aussage nicht bewusst. Als am Wochenende die Schlagzeilen dazu kamen, dachte ich mir: «Was, jemand interessiert sich für meinen Lohn?» Ich hatte völlig vergessen, dass das Label SRF offenbar für viele sehr interessant ist, wenn es um Löhne und Zahlen geht.
Hast du viele Reaktionen bekommen?
Es wurde schon viel darüber geredet, natürlich auch in den Kommentarspalten der Medien. Unter den Reaktionen, die ich direkt bekommen habe, war nur eine einzige negative, ansonsten gab es viel positives Feedback. In der Kommentarspalte sah es anders aus. Da ging es oft um die SRF-Löhne oder auch mal darum, warum ein «so junges Bibi» so viel Geld verdient. Damit konnte ich aber gut umgehen. Spannender fand ich, wie die Leute gerechnet haben. Ich habe gesagt, dass ich bei meinem 80-Prozent-Pensum und nach allen Abzügen im Schnitt rund 5000 Franken ausbezahlt bekomme. Manche haben da sehr akrobatisch hochgerechnet und kamen auf einen monatlichen Bruttolohn von 7500 Franken bei 100 Prozent.
Findest du es wichtig, dass man mehr über Lohn redet?
Ja, sehr. Mich nervt das an der Schweizer Mentalität, dass der Lohn so ein Geheimnis ist. Zudem finde ich eine offene Kommunikation über den Lohn auch aus feministischer Sicht wichtig. Ich glaube, dass Frauen oft von Lohnungleichheit betroffen sind und es gar nicht wissen, und wenn sie es wissen, dann trauen sie sich nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Würden sich Frauen untereinander mehr über den Lohn austauschen, gäbe es weniger Lohnungleichheit. Man könnte anders verhandeln. Davon bin ich überzeugt.
Inwiefern ist Geld in deiner Sendung ein Thema?
Es kommt immer mal wieder vor, aber nicht allzu oft. Wir sagen vielleicht Ende Monat mal: «Hey, bald kommt der Lohn.» Oder ich hab auch schon am Monatsende über meinen Kontostand gesprochen, als ich praktisch pleite war. Das ist ein Scherz zwischen meinem Co-Moderator und mir. Er ist supersparsam und hat immer viel mehr Geld. Am Ende des Monats vergleichen wir unseren Kontostand. Er fragt dann: «Na Mira, wie siehts aus bei dir?» Und ich muss sagen, dass ich noch 13.50 Franken habe. Ich gehe das Thema da überspitzt locker an, um das Tabu etwas zu brechen.
Ihr sprecht die 16- bis 30-Jährigen an. Du bist selbst 26 Jahre alt. Was hat Geld für einen Stellenwert in dieser Generation?
Ich glaube, wieder einen grösseren. Was ich jetzt sage, ist nicht empirisch erhoben, aber ich habe den Eindruck, dass Geld bei jüngeren Menschen wieder wichtiger ist. Auch weil Statussymbole wie beispielsweise Markenkleider aktuell sehr beliebt sind. Solche Dinge kosten Geld. Auf der anderen Seite boomen Schneeballsysteme mit Direct-Marketing. Viele, gerade junge Menschen, versuchen ihr Glück damit und verlieren Geld, statt Geld zu verdienen. Diesem Boom liegt natürlich der Wunsch nach dem schnellen grossen Geld zugrunde. Und dann wird ja auch das Leben immer teurer. Die Mieten steigen, der Konsum wird teurer, ein Eigenheim ist für uns gar kein Thema mehr. Auch wenn man noch nicht an ein eigenes Haus denkt, verunsichert diese finanzielle Lage viele.
Wie spricht die junge Generation über Geld? Geht man offener mit dem Thema um?
Ja, auf jeden Fall. Der Rapper LCone war mal auf der Titelseite von «20 Minuten», weil er sagte, er hätte nur 30 Franken auf dem Konto und gehe mit dem Tupperware zur Arbeit. Das hat viele Reaktionen ausgelöst, viele fanden das auch lustig. Geld wird also teilweise zur Unterhaltung. Ich glaube, dass die junge Generation vor allem offener ist, wenn sie kein Geld hat. Das wird mehr thematisiert als früher.
Du bist auch Rap-Expertin. Welche Rolle spielt Geld in dieser Szene?
Eine ganz grosse Rolle, und das beeinflusst wiederum die junge Generation. Hiphop ist inzwischen das dominierende Musikgenre bei den 15- bis 30-Jährigen. Es hat bestimmt einen Einfluss auf die Beziehung zu Geld und zu Statussymbolen, wenn die Lieblingsrapper nur in Gucci-Kleidern posen und krasse Autos fahren. Auch ich bin nicht frei von solchen Bildern. Ich würde auch nicht nein sagen zu so einem Auto (lacht).
Und wie sieht es im Schweizer Rap aus, fliesst da viel Geld?
Da werden immer Witze darüber gemacht: Die Schweizer rappen von krassen Karren und haben noch nicht mal die Autoprüfung, das ist der Running Gag im Schweizer Rap, der übrigens stimmt. Einige Rapper können nicht Auto fahren. In der Schweiz wird man sicher nicht reich mit Rap. Es gibt ein paar wenige Beispiele, die Karriere gemacht haben. Sie mussten sich aber auch dem Mainstream angleichen, damit ihre Songs Erfolg haben konnten. Die meisten Rapper:innen haben noch einen anderen Job, und die, die versuchen, nur von der Musik zu leben, leben sehr bescheiden.
Und wie sieht es mit Frauen in der Schweizer Rapszene aus?
Da ist der Markt noch kleiner. Wobei man fairerweise sagen muss, wenn eine Frau kommt und gut ist, ist der Markt für sie riesig, weil sie kaum Konkurrenz hat. Seit letztem Jahr haben wir die ersten bekannteren Rapperinnen, bei denen es ein bisschen besser läuft. Die werden überallhin eingeladen, weil es überall zu wenig Frauen gibt. Also eigentlich ist jetzt die beste Zeit, um Rapperin in der Schweiz zu werden.
Zum Abschluss noch ein paar persönliche Fragen: Wer hat mit dir als Kind über Geld geredet?
Meine Mutter. Sie hat mit uns die ganze Sackgeld-Sache geregelt. Als sich meine Eltern getrennt haben und es um die Alimente ging, hat sie uns auch das erklärt.
Hat sie dir einen Leitsatz mitgegeben, an den du dich heute noch hältst?
Meine Mutter würde von sich behaupten, dass sie nicht sehr gut im Umgang mit Geld ist. Und sie hat uns auch gesagt, dass wir den Umgang nicht bei ihr abschauen sollen. Aber ich glaube, was sie mir mitgegeben hat, ist, dass man keine Angst haben soll, über Geld zu reden. Und es gab ein Schlüsselerlebnis in meiner Kindheit: Ich war supergut in der Schule. Irgendwann sagte ich meiner Mutter: «Mama, die anderen bekommen 10 Franken wenn sie eine Sechs als Note haben.» Meine Mutter fragte mich dann, was sie denn bekämen, wenn sie eine Drei hätten. Sie hat mir so sehr früh erklärt, dass sie Leistungen nicht an Geld knüpfen will und dass sie hinter mir steht, egal ob ich eine Sechs oder eine Drei habe. Das fand ich toll, und es hat mir eingeleuchtet. Wir bekamen einfach Sackgeld. Als wir alt genug waren, konnten wir uns mit zusätzlichen Hausarbeiten etwas dazuverdienen.
Gibt es etwas, wofür du sparst?
Ich spare einfach immer für die nächsten Ferien. Aber nein, etwas Grösseres gibt es eigentlich nicht. Mein Ziel ist, dieses Jahr das erste Mal in die 3. Säule einzuzahlen. Das habe ich mir fest vorgenommen.
Da kann ich dir unsere elleXX 3a empfehlen.
Stimmt, die muss ich mir unbedingt anschauen. Ich habe nämlich mal ein 3a-Konto bei einer Bank eröffnet, da sind aber noch immer null Franken drauf.
Was wünscht du dir für deine finanzielle Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich weiterhin auf mein Bauchgefühl höre, wenn ich Geld ausgebe. Ich möchte das Leben weiterhin geniessen und mein Geld gerne für die schönen Dinge wie Reisen ausgeben. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass es mir etwas besser gelingt, einen Mittelweg zu finden und auch mal ein bisschen Geld zu sparen, oder es zumindest so einzuteilen, dass ich Ende Monat nicht bibbern muss, ob es reicht. Langsam bin ich zu alt für dieses Gefühl.