Im Sport ist es selbstverständlich: Nach jedem Training, nach jedem Match bekommen Athlet:innen Feedback. Sie brauchen es, damit sie noch besser werden und sich weiterentwickeln. Erhalten sie kein Feedback, fragen sie danach. «Feedback ist ein Geschenk», sagt Diana Engetschwiler, meine Co-Founderin bei WolfPak.ai und ehemalige Profi-Spielerin im Schweizer Volleyball-Nationalteam.

Katia Murmann
In der Businesswelt sieht es anders aus: Regelmässig Feedback zu geben ist noch immer die Ausnahme.

Doch in der Businesswelt sieht es anders aus: Regelmässig Feedback zu geben ist noch immer die Ausnahme, obwohl Daten zeigen, dass Mitarbeitende, die regelmässig Rückmeldungen bekommen, 80 Prozent motivierter sind als Mitarbeitende, die nur sehr selten oder nie Feedback bekommen. Das weiss auch Reed Hastings, Gründer von Netflix, der in seiner Firma Feedback als zentrales Instrument für Wachstum nutzt.

Warum bloss tun wir uns so schwer mit Feedback?

Oft wird Feedback mit Kritik gleichgesetzt. Wenn jemand fragt: «Darf ich dir Feedback geben?», haben viele Angst, was da kommt, und fragen sich, was sie wohl falsch gemacht haben. Weil Feedback die Ausnahme und nicht die Regel ist. Dabei gaben in einer Umfrage 92 Prozent der Befragten an, dass negatives Feedback hilfreich sein kann, um sich zu verbessern – wenn es denn richtig gegeben wird. Hier liegt der Schlüssel. Reed Hastings beschreibt in seinem Buch «No Rules» vier einfache Regeln für Feedback, «4A Framework» genannt. Ihr findet sie in meinen Tipps. Auch ich habe in meiner Karriere oft Feedback gegeben und erhalten. Aus meinen Erfahrungen haben ich die wichtigsten Punkte für konstruktives Feedback zusammengestellt:

Acht Tipps zum Geben und Entgegennehmen von Feedback.

  1. Mache Feedback, positives wie negatives, zu einem natürlichen Bestandteil deiner Team-Kultur. Je regelmässiger du deinen Mitarbeitenden oder Kolleg:innen positives Feedback gibst, desto einfacher ist es, Dinge anzusprechen, die nicht gut laufen.
  2. Sei so konkret wie möglich und warte nicht zu lange. Statt allgemeine Aussagen zu machen, sollte Feedback auf konkrete Situationen und Verhaltensweisen eingehen. «Du hast in der Präsentation heute morgen klar und überzeugend argumentiert», ist hilfreicher als «Gute Präsentation». Ersteres bezeichnet Reed Hastings als umsetzbares («actionable») Feedback.
  3. Gib Feedback im direkten 1:1-Gespräch, in einer ruhigen Atmosphäre, und formuliere es aus deiner Perspektive mit Ich-Botschaften: «Ich habe bemerkt, dass …» statt «Du machst immer …». So zeigst du, dass du das Feedback mit guter Absicht gibst.
  4. Bei kritischem Feedback nutze diese vier Schritte – und übe sie vor besonders schwierigen Gesprächen mit einer Person, der du vertraust. So kannst du sehen, wie das Feedback ankommt. 
    1. Definiere die Situation: «In unserem aktuellen Projekt …»
    2. Beschreibe das Verhalten, ohne zu werten: «... gestern war die Deadline, und ich habe keinen Input von dir bekommen.»
    3. Erkläre die Folgen: «Dadurch konnte ich es nicht an die Kund:innen senden und er/sie hat sich beschwert.» Dann hör zu, was dein Gegenüber zu sagen hat. Frag nach den Ursachen.
    4. Mach einen Vorschlag: «Das nächste Mal, wenn du eine Deadline nicht einhalten kannst, gib mir vorher Bescheid, damit wir gemeinsam eine Lösung finden.»
Katia Murmann
Je regelmässiger du positives Feedback gibst, desto einfacher ist es, Dinge anzusprechen, die nicht gut laufen.

Wenn dir jemand Feedback gibt, denk daran: Es ist ein Geschenk! Meine Tipps:

  1. Offen sein: Nimm Feedback als Chance zur Verbesserung und bedanke dich für die Rückmeldung, unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ ist. Dies bezeichnet Reed Hastings als «appreciate», also dankend aufnehmen.
  2. Nicht gleich verteidigen: Hör zu, ohne sofort zu reagieren oder in eine Verteidigungshaltung zu gehen. Nimm dir Zeit, das Feedback zu verstehen und darüber nachzudenken.
  3. Rückfragen stellen: Wenn etwas unklar ist, frag nach konkreten Beispielen oder weiteren Erläuterungen. Dies zeigt Interesse und hilft, das Feedback besser einordnen zu können.
  4. Reflektieren und umsetzen: Nimm das Feedback an und entscheide dann selbst, was du davon umsetzen willst. Dies ist das 4. A von Reed Hastings: Akzeptieren oder nicht («accept or reject»). Reflektiere darüber, wie die Veränderungen wirken. Und frag nach Feedback! 

Und jetzt, probier es aus. Gib anderen Feedback. Und warte nicht darauf, dass dir jemand Feedback gibt. Sondern such dir einen Bereich, in dem du unsicher bist, bei dem du Fragen hast oder dich weiterentwickeln willst. Dann frag aktiv nach Rückmeldungen. Du wirst sehen, Feedback ist wirklich ein Geschenk.