Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:46
Ort:Zürich
Beruf:Kosmos Kreator, Life & Mental Coach, Unternehmerin
Einkommen:In einem ruhigen Monat: genug für Fixkosten; in einem guten Monat: im fünfstelligen Bereich
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Ich investiere mein Geld in Zeit für mich und meine Familie, Weiterbildungen, nachhaltiges Essen (Bio oder Demeter), Reisen
Vermögen:Elle’n’Belle AG, Sparkonto

Welche Emotionen löst Geld bei dir aus?

Grundsätzlich bedeutet Geld für mich Freiheit. Ich liebe Geld und leiste mir gerne etwas – weiss aber auch, dass das ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem kein Geld vorhanden war. Das hat mich sehr stark geprägt.

Inwiefern?

Ich bin ein typisches Seconda-Kind: Wir waren eine Migrant:innenfamilie, die Mutter aus Kroatien, der Vater aus der Türkei. Beide kamen in den 1960ern in die Schweiz und durften nicht in ihrem Beruf arbeiten, sondern gingen in die Fabrik. Wir hatten am Anfang wirklich gar nichts – als ich Dania Schiftans Money Talk bei euch gelesen habe und dass ihre Familie aus Spargründen oft nur Kartoffeln gegessen hat, dachte ich: «Yep. Been there, done that!» Geld war in meiner Kindheit immer mit Schwierigkeiten verbunden. Deshalb ist Geld auch heute noch nicht nur positiv geprägt für mich. Ich habe kaum Existenzängste, aber Geld ist meistens mit Emotionen und limitierenden Glaubenssätzen verbunden. Und diese haben mich lange, bis ins Erwachsenenalter, begleitet. An meinem «Money Mindset» arbeite ich zum Beispiel heute noch.

Wie hat sich deine Einstellung zu Geld verändert?

Geld hat in meiner Familie viele Krisen ausgelöst. Meine Mutter hatte ein starkes Sicherheitsbedürfnis, mein Vater war eher der risikofreudige Visionär ohne Sparkonto. Diese beiden Einstellungen passten einfach nicht zusammen, und deswegen gab es viele Streitereien und Krisen. Damit bin ich aufgewachsen.

Elif Erisik
Ich schaue nicht auf den Mangel, sondern überlege, was ich daraus machen kann.

Ging es dir als Kind schlecht, weil ihr kein Geld hattet?

Gar nicht, ich habe das nie als Mangel empfunden. Ich würde sogar sagen, diese Zeit hat meine Superpower entfacht, weil ich früh gelernt habe, wie ich aus Scheisse Gold machen kann. Ich war ein sehr kreatives Kind: Alle hatten in den 1980ern doch einen Walkman von Sony oder Philips. Wir konnten uns das nicht leisten. Für mich gabs dann irgendwann einen vom günstigen Grosshändler ABM; «Alles Billiger Mist» nannte man das damals abschätzig. Jedenfalls hatte ich einen knallroten, günstigen Walkman von ABM und war wahnsinnig stolz. Ich habe das Teil dekoriert und daraus quasi eine Special Edition gemacht. Und alle fanden den toll und wollten viel lieber meinen haben als ihre teuren Versionen. Das habe ich mitgenommen: Ich schaue nicht auf den Mangel, sondern überlege, was ich daraus machen kann. Als ich mit meiner Schwester das vegane Restaurant Elle’n’Belle eröffnet habe, kam mir diese Einstellung sehr zugute.

Warum?

Wir hatten kein Geld, um uns eine teure Einrichtung zu leisten. Also habe ich aus der Not wieder eine Tugend gemacht und das ganze Inventar aus meiner Wohnung genommen und es ins Restaurant gestellt – so bekam die Einrichtung eine eigene, authentische Handschrift, ganz im Stil dieses «Berlin-Vintage-Styles», der damals so angesagt war. Ich möchte aber noch einmal kurz zurück zu meiner Kindheit: Es war nämlich nicht so, dass wir nie Geld hatten. Meine Eltern haben ihr eigenes Restaurant eröffnet, als ich neun Jahre alt war. Und dann floss das Geld plötzlich.

Von arm zu wohlhabend: Wie war diese Umstellung für dich als Neunjährige?

Es bedeutete unter anderem, dass ich anfing, im Familienbetrieb zu arbeiten. Meine Mutter hatte eine Klingel, und wenn sie sie betätigte, hiess es für meine Schwester und mich: Fertig Mittagspause und runter an die Theke. Das Restaurant lag direkt unterhalb unserer Wohnung, das war natürlich praktisch. Wir halfen beim Abwasch, putzten, brachten die leeren Flaschen in den Keller und füllten die neuen auf. Am Mittag, am Abend und auch am Wochenende.

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Hast du dafür Sackgeld bekommen?

Nein. Das gehörte für uns alle zum Familienleben dazu, ansonsten hätte dieses Konstrukt gar nicht funktioniert. Wir hätten anders nicht überlebt. Ich habe das gar nie infrage gestellt, dass ich dafür kein Geld bekommen habe, es war für mich selbstverständlich. Im Gegenzug waren meine Eltern extrem grosszügig und gaben uns bedingungslos viel Geld, mit dem wir komplett selbstständig haushalten durften. Es war ein Geben und Nehmen. So kaufte ich bereits als Neunjährige alleine meine Kleider ein. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verdutzt die Verkäuferinnen damals dreinschauten.

Du hast vorher das Thema Money Mindset angesprochen, die Glaubenssätze, die man mit dem Thema Geld verbindet. Welche hast du aus der Kindheit mitgenommen?

Unsere Glaubenssätze sind davon beeinflusst, wie wir aufwachsen. Meine Mutter erzählt noch heute die Geschichte, dass ihr Vater – ein Metzger – damals eine Kuh verkaufen musste, damit sie sich ein Ticket in die Schweiz kaufen konnte. Für meine Eltern war es ganz klar: Sie kommen in die Schweiz, damit sie und ihre Kinder einmal ein besseres Leben haben. Das ist bei mir tief verankert. Klassisch Seconda halt. Das ist natürlich ein schöner Gedanke, hat aber unterbewusst auch Druck auf mich ausgeübt, diese Hoffnungen erfüllen zu können. Ich konnte sehr früh lesen und schreiben und war generell ein sehr fleissiges Kind, das Probleme in Windeseile lösen konnte. Weil ich wusste, dass das meinen Eltern wichtig war und ich dadurch auch ihre Anerkennung und Liebe bekam. Aus dieser Zeit stammt auf jeden Fall mein Glaubenssatz: Nur harte Arbeit ist gute Arbeit, nur so kommt man ans Ziel und nur damit verdient man ehrliches Geld. Das war mir als Kind aber natürlich nicht bewusst.

Das klingt alles so, als hättest du als Kind ganz schön viel Verantwortung auferlegt bekommen.

Bestimmt, ja. Aber eben: Es ging nicht anders. Bevor meine Eltern das Restaurant eröffneten, gingen sie um fünf Uhr morgens in die Fabrik. Meine Schwester und ich standen also alleine auf, gingen später zur Schule, kochten über Mittag das, was unsere Mutter am Abend zuvor vorbereitet hatte, und gingen wieder zur Schule. Von sieben bis neun Jahre habe ich so gelebt. Viele Migrant:innenkinder kennen das: Du bist von Kind auf eine kleine Erwachsene. Das ist nicht nur schlecht, meine Jugend war grandios, weil ich so viele Freiheiten hatte. Aber ich muss schon sagen: Es geht doch auch anders. Man muss nicht immer Unmenschliches leisten, um zum Ziel zu kommen. Aber eben, daran habe ich die letzten sechs Jahre gearbeitet – nachdem es bei mir zu einem Kollaps gekommen ist, als ich 40 wurde.

Was ist denn da passiert?

Ich wurde schwanger! (Lacht.)

Aber eine Schwangerschaft ist ja eigentlich das Gegenteil von einem Kollaps?

Ja klar. Aber das Verrückte ist: Durch die Schwangerschaft kam ich plötzlich sehr stark in Kontakt mit meiner Kindheit. Es kamen Fragen auf wie: Was ist dort genau passiert? Was haben meine Eltern gemacht, und was davon habe ich übernommen? Ich habe mich damit aber nicht wirklich auseinandersetzen wollen, bis meine Tochter zur Welt kam. Vorher habe ich wahnsinnig viel für mein eigenes Restaurant gearbeitet, bis fast zum letzten Tag vor der Geburt. Weil ich immer noch dieses Getriebene in mir hatte. Mein starker Arbeitswille hat mir bis dahin ein aufregendes Leben, Karriere und Geld beschert, aber das alles hatte seinen Preis.

Was meinst du damit?

Im Restaurant habe ich viel körperlich gearbeitet und Akkordarbeit geleistet. Drei Monate, bevor ich und meine Schwester das Elle’n’Belle eröffneten, starb unser Vater an einem plötzlichen Herzinfarkt. Das hat bei uns den Reflex ausgelöst: «Let’s go all in! Denn morgen kann alles vorbei sein.» So dachte ich schon immer, aber durch dieses Erlebnis wurde das noch verstärkt. Also habe ich auch hochschwanger wie eine Irre gearbeitet. Aber mein Körper hat mir sehr klare Zeichen gegeben, dass ich eine Pause brauche.

Was ist passiert?

Ich hatte zum Beispiel mehrmals Blutungen. Das hat mich erschreckt und ich hatte Angst, dass ich mein Wunschkind verliere. Ganz aufgehört zu arbeiten habe ich aber trotzdem nicht; ich habe vom Bett aus weitergemacht. Weil ich mein 40-köpfiges Team nicht im Stich lassen wollte und weil ich dachte, ich müsse alles ganz «modern» unter einen Hut bringen können: Vollzeit arbeiten und Mama werden. Mein Körper hörte aber nicht auf zu streiken. Nach der Geburt wurde er immer lauter, sodass ich immer wieder hohes Fieber und Entzündungen hatte und mehr als einmal in der Notaufnahme lag. Mein Mann schaute mich in einer dieser Nächte an und fragte: «Elif, wie lange willst du das noch so machen? Das ist Wahnsinn. Du hast jetzt ein Kind und setzt deine Gesundheit, dein Leben aufs Spiel.» Diese Worte waren ein echter Weckruf für mich.

Elif Erisik
Mein starker Arbeitswille hat mir bis dahin ein aufregendes Leben, Karriere und Geld beschert, aber das alles hatte seinen Preis.

Wie bist du danach weitergegangen?

Der Mietvertrag unseres Restaurants lief damals aus, und die Vermieter konnten uns aus Sanierungsgründen nur noch einen Einjahresvertrag anbieten. Meine Schwester und ich mussten uns die Frage stellen: Wollen wir ein weiteres Jahr unter schwierigsten Infrastrukturverhältnissen arbeiten – oder wollen wir endlich wieder ein Sozialleben haben? Wir haben diese Frage ehrlich beantwortet und uns für zweiteres entschieden. Nach der Schliessung fühlte ich mich jedoch leer und hatte wohl so etwas wie ein Burn-out. Zum ersten Mal in meinem Leben stand ich still. Das war der Wendepunkt in meinem Leben. Ich setzte mich endlich mit meiner Kindheit auseinander und untersuchte, woher dieses leistungsorientierte Denken kommt. Ich begann, mich ausgiebig mit Kundalini Yoga, Achtsamkeit und Selbst-Bewusstsein zu beschäftigen. Und schlussendlich hat diese Reise in mein Inneres auch mein Verhältnis zu meinem Money Mindset verändert.

Inwiefern?

Meine Eltern haben mir immer eingebläut, dass ich alles werden kann, was ich will. Und dass Unabhängigkeit – gerade die finanzielle und gerade als Frau – das Wichtigste ist. Dafür bin ich ihnen auch sehr dankbar, aber bei mir hat das auch dazu geführt, dass ich sehr lange keine Hilfe von aussen annehmen und schon gar nicht danach fragen konnte. Das musste ich lernen, auch was das Finanzielle betrifft.

Und wie hast du das gelernt?

Der Alltag hat mich quasi dazu gezwungen. Nach der Schliessung des Restaurants habe ich ein Sabbatical eingelegt und eine mehrjährige Life-Coach-Ausbildung absolviert. Dafür hatte ich zum Glück genügend Geld auf der Seite. Ohne meinen Mann wäre es aber dennoch nicht gegangen. Zu der Zeit brachte er mehr Geld nach Hause als ich. Das war zu Beginn nicht ganz einfach für mich, weil es ja eine Art Abhängigkeit bedeutete – und dann noch von einem Mann! Dieses Gefühl löste sich erst, als er später eine Zeit lang weniger gearbeitet hat und ich mehr Geld in die Familienkasse einbrachte. Es ist also immer alles ausgeglichen bei uns, und ich konnte lernen, zu vertrauen. Aber auch das Loslassen und Sagen können: «Es ist okay so!», das musste ich lernen, und ich bin froh, dass es mir gelungen ist.

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