Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen damit einen Dialog über Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Heute mit Nora Saratz Cazin, Gemeindepräsidentin von Pontresina.
Als sie ein Kind war, wurde ihre Familie schon mal als «Könige von Pontresina» und «Bonzen» betitelt – dass sie finanziell gut dasteht, wurde Nora Saratz Cazin schon früh bewusst. Sie hätte damals nichts dagegen gehabt, Müller oder Meier zu heissen. Ein Gespräch über Privilegien, Engagement und Steuern.*
Fällt es dir leicht, über Geld zu reden?
Ja, mir fällt es relativ leicht, über Geld zu reden. Es ist für mich kein schwieriges oder heikles Thema. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich in einer sehr privilegierten Situation aufgewachsen bin. Wir hatten immer genug Geld und haben fast alles bekommen, was wir uns gewünscht haben. Ich hatte finanziell gesehen andere Schwierigkeiten.
Welche denn?
Ich hatte oft Hemmungen gegenüber meinen Mitschüler:innen. Ich habe ungern gezeigt, wie gut es uns als Familie finanziell geht und was wir alles haben. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass nicht alle Kinder die Möglichkeit haben, so aufzuwachsen wie ich.
Dir war also früh bewusst, dass es finanzielle Unterschiede gibt?
Das war mir sehr früh bewusst. Einerseits haben unsere Eltern uns das immer wieder gesagt. Sie haben uns klar gemacht, dass wir grosses Glück haben und finanziell sehr gut dastehen. Andererseits wurden die Unterschiede im Alltag sichtbar. Ich bin beispielsweise in einem alten, schön ausgebauten Engadiner Haus aufgewachsen mit viel Platz. Die meisten meiner Freundinnen lebten in einer Wohnung.
Und dann ist da noch dein Familienname.
Genau, die Familie Saratz ist in der Gemeinde tief verankert. Es gibt darum auch Vorurteile über uns: die Könige von Pontresina, eine Bonzen-Familie und so weiter. Das war nicht immer einfach. Es gab eine Zeit, da wünschte ich mir, einfach Müller oder Meier zu heissen und nicht zu dieser Dynastie zu gehören.
Wie hast du einen Umgang damit gefunden?
Direkt nach der Maturität bin ich «geflüchtet». Ich ging nach Zürich, um Jura zu studieren und bin zwölf Jahre lang geblieben. Ich genoss die Anonymität sehr. Mein Mann und ich haben lange diskutiert, ob wir zurückkehren sollen nach Pontresina. Und falls ja, wie wir mit meiner Situation umgehen. Soll ich versuchen, mich zu verstecken, oder kommen wir zurück und ich engagiere mich aktiv?
Du hast dich für den zweiten Weg entschieden.
Ja, sich in einem Dorf zu verstecken, ist kaum möglich. Ich wurde sehr gut aufgenommen. Die Leute waren schnell bereit, mich neu kennenzulernen. Sie haben mich als Nora aufgenommen und nicht als «Tochter von» oder «Enkelin von». Es sind viele schöne neue Beziehungen entstanden.
Seit 2021 bist du Gemeindepräsidentin von Pontresina. Damit ist nicht nur deine Arbeit öffentlich sichtbar. Auch dein Lohn wird von der Bevölkerung diskutiert. Wie ist das für dich?
Das ist gut und richtig so. Mein Lohn soll diskutiert werden – es sind übrigens rund 165'000 Franken brutto im Jahr für ein 100-Prozent-Pensum. Mein aktuelles Pensum beträgt 90 Prozent. Ich bin von der Bevölkerung gewählt, und sie soll sich dazu äussern können, ob der Lohn für meine Leistung angemessen ist.
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