Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Ich hatte noch nie negative Gefühle gegenüber Geld. Es ist für mich etwas Zweckmässiges. Ich bin froh, wenn ich so viel Geld habe, dass ich die Dinge tun kann, die ich machen möchte. Seit ich Mutter geworden bin, hat sich meine Beziehung zu Geld aber etwas verändert.
Inwiefern?
Durch die Mutterschaft bin ich temporär in eine finanzielle Abhängigkeit von meinem Partner gerutscht. Einfach deshalb, weil ich, als unser Sohn sehr klein war, mehr Care-Arbeit übernommen habe. Diese finanzielle Abhängigkeit hat bei mir komische Gefühle ausgelöst und mich auch belastet. Mein eigenes Geld zu haben, war und ist mir sehr wichtig.
Hast du mit deinem Partner über diese Gefühle gesprochen?
Wir haben viel und offen darüber geredet. Dadurch konnten wir einen guten Umgang mit der Situation finden. Ich musste anerkennen, dass die Care-Arbeit, die ich nicht alleine, aber zu einem grösseren Teil, geleistet habe, einen Wert hat und dass es eigentlich gerecht wäre, wenn die Arbeit monetär vergütet würde. Leider ist das in unserem System nicht der Fall. Diese Erkenntnis hat mir geholfen zu akzeptieren, dass mein Partner mich während einer gewissen Zeit finanziell unterstützt. Inzwischen ist unser Kind etwas älter, ich bin wieder voll in meiner beruflichen Tätigkeit, und mein Business läuft.
Du bist als Doula tätig und begleitest Frauen informativ, emotional und körperlich während der Schwangerschaft und Geburt. Inwiefern ist Geld bei dieser Arbeit ein Thema?
Geld ist ein wichtiges Thema, besonders in den Gesprächen mit den Frauen. Es geht da um Fragen wie: Wer kann sich eine Doula leisten? Wie viel ist eine Geburt wert? Wie unabhängig können Frauen über Geld verfügen? Müssen sie zuerst den Partner fragen, ob sich eine Doula «lohnt»? Es gab auch schon Situationen, in denen Frauen im Wochenbett noch mehr Begleitung durch mich gebraucht hätten, es sich aber finanziell nicht leisten konnten.
Was machst du in solchen Situationen?
Wer im Bereich der Care-Arbeit tätig ist, weiss, dass man schnell in ein Helfersyndrom geraten kann. Eigentlich will man ja einem Menschen genau in solchen Situationen beistehen und helfen. Wenn man aber immer mehr arbeitet, als man sich entlöhnen lässt, ist das am Ende auf mehreren Ebenen kontraproduktiv.
Kannst du das noch etwas ausführen?
Wenn wir als Doulas unsere Arbeit nicht angemessen bezahlen lassen, schadet das zum einen der Branche und der beruflichen Anerkennung. Wir vermitteln dann den Eindruck, dass unsere Arbeit auch gratis oder für wenig Geld zu haben ist. Das stimmt natürlich nicht. Zum anderen brennt man so auch sich selbst aus. Ich habe erkannt, dass es nicht nachhaltig ist, so zu wirtschaften – weder energetisch noch finanziell.
Welche Konsequenzen hast du gezogen?
Es war ein Prozess. Aber ich habe gelernt, dass es wichtig ist, meinen Wert zu kennen, diesen der Welt zu kommunizieren und darauf zu bestehen.
Wie viel kostet eine Begleitung durch eine Doula?
Das kann unterschiedlich sein. Grundsätzlich ist eine Begleitung ein Paket. Es enthält mindestens zwei Coachings vor der Geburt, den Pikett-Dienst von vier Wochen, eine Geburtspauschale – die ist unabhängig davon, ob eine Geburt fünf Stunden oder 30 Stunden dauert –, und ein Nachgespräch. Das ist häufig das kleinste Paket und kostet in der Schweiz im Schnitt rund 1500 Franken. Bei mir ist es etwas teurer. Ich biete dafür aber noch einen Online-Kurs während der Schwangerschaft, weil mir wichtig ist, dass die Techniken für die Geburt regelmässig geübt werden können.
Rechnet sich deine Arbeit für dich?
Ganz grundsätzlich muss man sagen, dass die Arbeit von Doulas viel teurer und die Tarife höher sein müssten. Wir sind heute unterbezahlt. Ich selbst bin, glaube ich zumindest, eine der teuersten Doulas der Schweiz. Und zwar genau deshalb: Meine Arbeit hat sich für mich nicht gerechnet. Irgendwann bin ich an den Punkt gekommen, an dem ich mir gesagt habe: Ich tue weder mir noch der Branche einen Gefallen, wenn ich mich an ungesund tiefe Tarife anpasse. Ich biete meine Arbeit über dem Marktpreis an und versuche so, die Preise hochzudrücken. Inzwischen rechnet sich meine Arbeit knapp für mich.
Wie waren oder sind die Reaktionen auf deine Tarife?
Ich habe das Privileg, dass ich trotzdem sehr viele Anfragen habe. Ich sehe mich darum auch als Vorreiterin und versuche die Doulas in unserer Ausbildung dazu zu animieren, ihre Tarife höher anzusetzen. Wir müssen versuchen, den Marktpreis hochzubringen.
Wer kann sich heute eine Doula leisten?
Meine Erfahrung aus dem Raum Zürich ist, dass fast alle, die eine solche Begleitung möchten, sich auch eine leisten können. Es ist oft eine Frage von Prioritäten. Natürlich ist mir bewusst, dass es Frauen gibt, die diese Möglichkeit nicht haben. Ich hatte diese Situation bisher aber erst einmal. Eine Frau wollte mit mir arbeiten, es war aber finanziell für sie nicht möglich. Wir haben dann eine Lösung mit einem Tauschhandel gefunden. Das war sehr schön.
Du hast viel Einblick ins Gesundheitswesen. Welche Rolle spielen Geld und der Kostendruck bei Schwangerschaften und Geburten?
Eine grosse. Wir haben beispielsweise eine zu hohe Kaiserschnittrate. Das liegt daran, dass ein Kaiserschnitt für ein Spital wirtschaftlich attraktiver ist als eine Geburt.
Warum das?
An einem Kaiserschnitt verdient ein Spital mehr als an einer natürlichen Geburt, weil ein Kaiserschnitt als Operation zu einem höheren Tarif abgerechnet werden kann. Ein Kaiserschnitt ist zudem effizient und planbar. Die Operation dauert im Schnitt eine Stunde. Eine Geburt hingegen ist nicht planbar und kann auch mehrere Tage dauern. Die Kaiserschnittrate ist aber nur ein Aspekt. Der Zeit- und Spardruck machen sich auch sonst im Geburtswesen bemerkbar: Hebammen, die immer weniger verdienen und gleichzeitig immer mehr leisten müssen. Fehlendes Personal und dadurch fehlende Zeit für die Betreuung der Gebärenden. Diese Entwicklung ist aus meiner Sicht problematisch.
Ich möchte zum Abschluss noch mal über deine Beziehung zu Geld reden: Wer hat mit dir als Kind über Geld gesprochen?
Wir haben nicht viel über Geld geredet. Ich komme aus einer Familie, in der nie viel Geld vorhanden war. Meine Eltern gehörten zur unteren Schicht der Arbeitnehmenden. Meine Grosseltern waren Bauern. Unsere Familie kam immer mit wenig Geld aus. Das habe ich übernommen. Auch ich konnte immer gut mit wenig Geld haushalten und hatte nie das Gefühl, dass mir etwas fehlt oder ich verzichten muss.
Gab es einen Leitsatz, an den du dich heute noch hältst?
Einen Leitsatz nicht, aber vielleicht einen Grundsatz, nach dem besonders meine Grosseltern leben: Du kannst aus allem etwas machen, besonders wenn du es selber machst. Das hat mich geprägt. Als Studentin bin ich mit 1500 Franken im Monat ausgekommen und ich hatte nie das Gefühl, krass sparen zu müssen.
Hat sich dein Verhältnis zu Geld durch deine berufliche Selbstständigkeit verändert?
Ich habe gemerkt, dass ich meinen Umgang mit Geld ständig anpasse, so wellenartig. Wenn mehr Geld vorhanden ist, gebe ich mehr Geld aus oder investiere mehr in mein Business. Wenn weniger da ist, dann schraube ich wieder zurück.
Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?
Ich würde mich freuen, längerfristig und konstant so viel zu verdienen, dass ich ständig kreieren kann. Ich habe einige Projekte, die ich gerne umsetzen möchte, bei denen ich aber nicht sehe, wie ich sie monetarisieren kann. Ich wünsche mir genügend Geld für meine Familie und mich, und um solche Pro-Bono-Projekte umsetzen zu können.