Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen damit einen Dialog über Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Heute mit Anna Raggi, Reproduktionsmedizinerin.
Wie weit sind Menschen bereit, für ihren Kinderwunsch zu gehen? Welche Rolle spielt Geld dabei? Und wie hoch sind die mentalen Kosten? Darüber haben wir mit Anna Raggi im Money Talk gesprochen.*
Du begleitest als Reproduktionsmedizinerin Paare auf ihrem Weg zum eigenen Kind. Dieser Weg ist kostspielig. Ist Kinderkriegen eine Frage des Geldes?
Nein, nicht grundsätzlich. Es ist nicht so, dass künstliche Befruchtung nur ein Privileg für Reiche ist. Ich habe in meiner Karriere selten erlebt, dass jemand aus finanziellen Gründen ganz auf den Kinderwunsch verzichtet hat.
Wie viel kostet denn eine künstliche Befruchtung?
Die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung sind je nach Zentrum und Standort unterschiedlich. Bei uns kostet eine Behandlung zwischen 7000 und 9000 Franken. Das ist die erste und teuerste Behandlung einer In-Vitro-Fertilisations-Therapie (IVF). Damit erhält man die erste Chance auf eine Schwangerschaft. Man muss wissen, dass viele Frauen mehrere Behandlungen brauchen, um ein Kind zu bekommen. Im Schnitt haben Paare und Frauen mit rund 10'000 bis 12'000 Franken eine sehr gute Chance, schwanger zu werden. Je älter die Frauen sind, umso teurer wird es. Auch zusätzliche, personalisierte Therapien mit weiteren Möglichkeiten können teurer werden.
Aber das können sich nicht alle einfach so leisten.
Es geht sicher zum Teil um die Frage, ob man sich eine solche Behandlung leisten kann oder nicht. Und natürlich sehe ich nur die Paare, die zu mir kommen. Ich weiss darum nicht, wie viele vorher bereits sagen: Ich kann mir das nicht leisten, ich muss auf meinen Wunsch verzichten. Natürlich spielen die finanziellen Möglichkeiten eine Rolle, wenn es darum geht, wie weit ein Paar oder eine Frau geht. Spannend finde ich, dass die Kosten sehr unterschiedlich bewertet werden.
Wie meinst du das?
Es geht um den Stellenwert, den Paare der Familiengründung geben. Ich habe Paare gesehen, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Ihr Kinderwunsch ist aber so stark, dass sie alles, was sie haben, dafür ausgeben. Diese Paare finden die Kosten für eine Behandlung oft nicht hoch. Für manche ist dieser Wunsch so zentral, dass sie viel mehr Geld in die Hand nehmen, als sie sich eigentlich leisten können. Auf der anderen Seite gibt es gutsituierte Paare, die sich gewohnt sind, viel Geld auszugeben, die die Kosten aber als sehr hoch empfinden – obwohl sie es sich gut leisten können. Ich kann darum nicht sagen, dass eine Kinderwunschbehandlung nur etwas für Privilegierte ist. Wer wenig Geld hat und unbedingt ein Kind will, verzichtet auf anderes wie beispielsweise Ferien. Die Kosten hindern die wenigsten daran, eine Therapie zu starten. Viel grösser ist die Angst vor Misserfolgen.
Damit wären wir beim nächsten Thema. Wie hoch sind die emotionalen Kosten?
Die sind sehr hoch und nicht messbar. Für viele sind sie wesentlich höher als die effektiven Kosten für die Behandlung. Dabei geht es nicht allein um die Emotionen, sondern auch um Zeit und Aufwand. Wer sich für den Weg einer künstlichen Befruchtung entscheidet, fehlt regelmässig bei der Arbeit, muss je nachdem Reisen auf sich nehmen, macht Abstriche in der Freizeit. Bei gewissen Frauen oder Paaren kommen auch noch Kosten für psychologische Unterstützung oder sogar eine Paartherapie dazu.
Wie weit sind Paare da bereit zu gehen?
Das ist sehr individuell, und manche Paaren kennen keine Grenzen. Da müssen wir die Grenzen setzen. Als ich eine junge Oberärztin war, hatte ich bereits Kinder, aber nicht viel Geld. Immer, wenn ich Paare getroffen haben, die den Weg einer künstlichen Befruchtung gewählt haben, dachte ich mir: Wie machen die das bloss? Ich wüsste nicht, woher ich die Zeit, das Geld und die Energie dafür nehmen würde. Man darf dabei aber nicht vergessen: Meist schlagen Paare diesen Weg ein, die schon eine Weile probieren, schwanger zu werden, die einige Jahre voll verdient und keine Kinderkosten haben. Das ist eine völlig andere Ausgangslage.
Und finanziell?
Auch das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Paare oder Frauen, die wollen nicht aufhören. Die geben am Schluss über 50'000 Franken aus. Andere können oder wollen nicht so weit gehen. Die setzen sich eine zeitliche oder eine finanzielle Grenze. Das ist eine Frage der Prioritäten. Das Geld ist aber meistens nicht so ein zentrales Thema. Ich habe es selten erlebt, dass jemand sich darüber beklagt, wie viel Geld sie ausgegeben haben.
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