«Wer macht Notizen?» Peinliches Schweigen im Sitzungsraum. Bis sich schliesslich das einzige weibliche Team-Mitglied meldet und beginnt zu tippen. Solche Situationen haben sicher viele von uns schon einmal erlebt.
Untersuchungen zeigen, dass Frauen im Job im Schnitt 10 Prozent mehr arbeiten als Männer. Frauen machen weniger Pausen, schieben Extrastunden am Abend oder am Wochenende. Der Glaubenssatz, der hier zugrunde liegt: Je mehr ich arbeite, desto eher komme ich weiter. Denn genau das wird vielen Frauen regelmässig vermittelt: In reinen Männerrunden müssen sie sich stärker durchsetzen, um zu Wort zu kommen. Ihre Leistungen werden oft kritischer beurteilt. Um ihren Platz am Tisch zu behalten, müssen sie sich immer wieder beweisen. Hart zu arbeiten erscheint daher vielen als Lösung. Aber das Ganze hat einen grossen Haken: Harte Arbeit allein reicht nicht aus.
Im Gegenteil: Wie Danielle Li, MIT Sloan Professorin, in einem Paper aus dem Jahr 2022 aufzeigt, werden Frauen im Jahresgespräch bei der Leistung oft besser bewertet als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig bewerteten die Chef:innen Frauen beim Punkt Entwicklungspotenzial 8,3 Prozent tiefer. Die Folge: Laut Li ist es für Frauen mit vergleichbarer oder sogar besserer Leistung als Männer, 14 Prozent weniger wahrscheinlich, befördert zu werden als für ihre Kollegen.
Warum ist das so? Ein Grund sind die Aufgaben, die Frauen übernehmen. Sie verbringen offenbar mehr Zeit mit Dingen, die zwar entscheidend sind für das reibungslose Funktionieren einer Organisation, die aber nicht unbedingt förderlich sind für ihre Karriere. Die Aufgaben reichen von der Büroorganisation bis hin zur Teamkoordination. Es sind Dinge, die zwar erledigt werden müssen, die aber weniger sichtbar sind und weniger Möglichkeiten bieten, zu strahlen.
Dabei hätten Frauen mit ihrer fokussierten Art zu arbeiten eigentlich einen strategischen Vorteil – wenn sie die Möglichkeit und den Raum erhalten ihre Skills richtig einzusetzen. Das fanden die Professorinnen Margarethe Wiersema von der UC Irvine Paul Merage School of Business und Marie Louise von der Copenhagen Business School heraus. Wiersema hält fest, dass Frauen auch zu Perfektionismus neigen: Sie bereiten sich mehr vor als alle anderen, sie liefern mehr als alle anderen. «Das kommt davon, dass Frauen erfahren haben, dass man als Frau zweimal so hart arbeiten muss wie die männlichen Kollegen, um anerkannt zu werden und erfolgreich zu sein», sagt Wiersema.
All das hat negative Folgen für weiblichen Karrieren. Denn wer ständig hart arbeitet und sich mit Aufgaben aufhalten muss, die zwar wichtig sind, aber kein Renommee bringen, hat weniger Zeit für all die anderen Dinge im Job, die ebenso wichtig sind und gleichzeitig der Karriere helfen. Vor dieser Falle warnen die Professorinnen.
Was also tun?
- Schau genauer hin, ob die Aufgabe oder das Projekt dich wirklich exponiert und weiter bringt. Arbeite smart! Und sag auch einmal Nein. Denn der Automatismus «Mehr Arbeit, mehr Anerkennung» funktioniert nicht – und er ist nicht gut für deine Gesundheit.
- Zeige selbstbewusst, was du gemacht hast. Oft hat man vor lauter Arbeit und Aufgaben gar keine Zeit zu überlegen, wem man die Ergebnisse der eigenen Arbeit in welcher Form präsentieren soll. Nimm dir Zeit dafür. Es ist wichtig, über deine Ergebnisse und Erfolge zu reden und sie sichtbar zu machen. Trau dich auch zu sagen: Ich habe das erreicht.
- Nimm dir Zeit, ein Netzwerk zu bilden. Es ist ein essentieller Teil der Arbeit. Such dir Mentor:innen, geh Kaffeetrinken und nutze interne Veranstaltungen, um dich mit wichtigen Stakeholdern zu vernetzen.
- Fordere ein, was du willst: Warte nicht, dass der/die Chef:in zu dir kommt und dir eine Lohnerhöhung oder eine Beförderung für deine harte Arbeit anbietet. Sag, was du willst und begründe deine Forderung mit deiner Leistung.
Und beim nächsten Mal, wenn es um die Notizen geht, halte das Schweigen einfach aus und schau, was passiert. Du machst die Notizen dieses Mal auf jeden Fall nicht, sondern investierst die Zeit ins Netzwerken und die Präsentation deiner Leistungen.