Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Pascal Bieri hat 2019 das FoodTech-Start-up «Planted» mitgegründet. Das Unternehmen stellt pflanzliches Fleisch aus alternativen Proteinen her. Ob echte Männer vegetarisch essen und wie sehr die Ernährung seine Männlichkeit definiert, verrät er in den Männerfragen.
Deine Haut strahlt so. Kommt das von deiner vegetarischen Ernährung?
(Lacht sehr laut.) Danke für das Kompliment. Ich glaube, das Strahlen entsteht aus der Kombination von Lebensfreude, einem coolen Team und der Möglichkeit, gemeinsam etwas Tolles aufzubauen. Dass sich das auch auf meine Haut auswirkt, habe ich bisher nicht bemerkt.
So bescheiden. Aber du isst vegetarisch, richtig?
Ich esse meistens vegan. Wenn ich flexitarisch esse, dann um den Geschmack zu testen. Wir wollen unsere Produkte besser als tierisches Fleisch machen.
Ein echter Mann isst eben vegetarisch – oder?
(Lacht.) Ich finde Verallgemeinerungen sehr schwierig. Aber ein bewusster Mann isst vermutlich mehrheitlich vegetarisch.
Weshalb?
Bewusst zu leben bedeutet für mich, mit sich, mit seinem Körper, aber vor allem mit der Umwelt und den Lebewesen um sich herum im Reinen zu sein. Für mich bedeutet das, sehr viel weniger tierisches Fleisch zu essen. Ich glaube, selbst richtige «Fleischtiger» sind nicht besonders stolz darauf, dass so viele Tiere für sie sterben. Das will niemand.
Wie sehr definiert deine Ernährung denn deine Männlichkeit?
(Lacht.) Kommen noch mehr solche allgemeinen Fragen?
Du darfst gerne ausdifferenzieren.
Meine Ernährung definiert mich als Mensch mit. Wenn du dir bewusst bist, was für ein Mensch du sein willst, machst du dir mehr Gedanken zu deiner Ernährung, deinem Reiseverhalten, wie du mit der Umwelt, anderen Menschen und letztlich auch mit dir selbst umgehen willst. Ich denke Ernährung in einem breiteren Kontext.
Das ist sehr löblich. Woher kommt es eigentlich, dass ihr Männer euch so bewusst mit der Welt auseinandersetzt?
(Ist irritiert.) Also, das stimmt ja offensichtlich nicht, oder? Ich beobachte, dass Männer sich oft in der Theorie mit gesunder Ernährung befassen. Die Umsetzung, die vielleicht lauten würde, weniger Fleisch zu essen, fällt ihnen jedoch sehr viel schwerer. Frauen setzen das konsequenter um.
Echt? Woran liegt das?
Es könnte damit zusammenhängen, dass Männer sich zu wichtig nehmen und sich einen grösseren ökologischen Fussabdruck zugestehen. Ihre Ernährung ist eventuell von einem grossen Ego geprägt, im Sinne von: Ich muss jetzt das mit dem grössten Fussabdruck essen.
Willst du eigentlich die Tiere oder die Umwelt retten?
Für mich geht das Hand in Hand. Der Prozess, den es braucht, um tierische Proteine als Nahrungsmittel zu gewinnen, ist völlig ineffizient: Wir packen sehr viele wertvolle Rohstoffe in ein Tier, um am Ende einen kleinen Teil davon zu essen (fasst symbolisch mit Daumen und Zeigefinger den weichen Teil seines Handballens).
Naja, diese tierischen Proteine sind sehr nahrhaft.
Wenn wir die ganzen Schadstoffe und Antibiotika ausblenden, sicher. Doch die Ressourcen auf unserem Planeten reichen langfristig nicht für diese Menge an Fleischkonsum. Natürlich könnte man versuchen, die Tierhaltung noch effizienter – und somit grausamer – zu gestalten. Mittlerweile kann man ein Huhn nach 30 Tagen Lebenszeit statt nach 45 schlachten. Ich finde es aber sinnvoller, direkt die Rohstoffe zu verwenden, anstatt viel Energie in ein Stück totes Tier zu stecken.
Wie schwer war es eigentlich, dein Mami vom Vegetarismus zu überzeugen?
Meine Mutter? (Schaut fragend und überlegt lange.) Bei meiner Mutter war das einfach. Mein Vater hat viel länger gebraucht. Er isst auch jetzt noch nicht vegetarisch, obwohl er langsam merkt, dass ihm pflanzliche Ernährung gut tut.
Komisch. Das hätte ich nicht erwartet. Kaufen Frauen überhaupt eure Produkte, oder sind sie ihnen zu wenig fleischig?
Ich glaube, unsere Produkte haben für alle den richtigen Biss (grinst). Die Zahlen, die wir vom Einzelhandel erhalten, sind relativ ausgewogen, soweit ich das im Kopf habe. Unser Ziel war immer, dass gerade Menschen, die gerne Fleisch essen, Planted mögen – unsere Zielgruppe sind die Fleischesser:innen.
Apropos Detailhandel: In die Regale von Coop habt ihr es nur dank eures guten Aussehens geschafft, nehme ich an.
Ja, das hat sicher geholfen (lacht). Wie man das halt so macht in einer Verhandlung. Nein, ich glaube, die Fakten und das Produkt haben für sich gesprochen und überzeugt.
Wie hast du es als Start-up-Unternehmer geschafft, Beruf- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen?
Ich weiss nicht, ob ich das je geschafft habe. Ich hadere nach wie vor damit.
War die Start-up-Gründung eigentlich mit der Familienplanung vereinbar?
(Schweigt lange.) Als unsere Produkte im Coop lanciert wurden, haben meine beiden Co-Gründer gerade Kinder bekommen. Damals habe ich mich gefragt, wie sie das schaffen, weil es eine sehr intensive Phase war. Seit acht Monaten bin ich in derselben Situation. Es geht nur, wenn man als Paar ein Team ist, sich gut abspricht, gut kommuniziert – und einfach mit sehr wenig Schlaf auskommt (lächelt gequält).
Hat deine Partnerin grosszügigerweise bei ihrer Karriere etwas zurückgesteckt?
Sie übernimmt sicher den grösseren Teil der Kinderbetreuung tagsüber. Aber es ist ein Dilemma: Oft sind Männer etwas älter als die Frauen, haben somit mehr Arbeitserfahrung und verdienen dementsprechend mehr Geld. Man denkt daher schnell, dass es finanziell naheliegender erscheint, wenn der Mann weiter arbeitet und die Frau mehr Care-Arbeit übernimmt. Ich schätze es jedenfalls sehr, dass sie das macht.
Sagst du ihr das auch?
Ich hoffe, ich mache das oft genug.
Kommen wir nochmals zurück zum Essen. Bekanntlich ist der Grill eine Frauendomäne. Magst du trotzdem verraten, wie du dein Planted am liebsten grillst?
(Lacht.) Ich bin zwar begeisterter Koch, aber kein begnadeter Grillmeister. Wenn ich grilliere, gebe ich gerne etwas Wasser oder Öl auf unsere Planted-Poulet-Spiesse, sodass es zischt und sie schön saftig werden. Und, ebenso wichtig: Den Spiess bloss nicht zu lange auf dem Grill lassen!
Welche Tipps hast du sonst für eine gesunde Ernährung?
Möglichst ausgewogen und möglichst bunt, habe ich gehört. Und natürlich möglichst viel Planted (grinst).
So, jetzt hast du es geschafft. Wie fühlst du dich?
Ufffff (lehnt sich erleichtert zurück). Bekommen Frauen wirklich solche Fragen gestellt?
(Pressesprecherin und Redakteurin bestätigen.)
Ich wusste, dass Fragen in diesem Stil kommen. Als du sie mir direkt gestellt hast, fühlte ich mich trotzdem nicht vorbereitet. Es hat mich auch wütend gemacht, weil ich gedacht habe «Was soll das? Diese Frage würde ich nie stellen!». In dieser Hinsicht war es augenöffnend.