Mega-Rabatte auf Kleider, Elektronikartikel oder Parfums – der 24. November ist ein Höhepunkt für Schnäppchenjäger:innen. Auch der Schweizer Onlinehandel profitiert. Letztes Jahr wurde am Black Friday ein Umsatz von 110 Millionen Franken generiert. Gleichzeitig ist die Flut an Retouren immens. Lange nicht alle Einkäufe werden behalten, das zeigt die Rücksendequote von rund 27 Prozent. Die Schweiz belegt damit laut einem Artikel der «Handelszeitung» den unrühmlichen ersten Platz in Europa, wenn es um das Zurückschicken von Paketen geht.

Barbara Wegmann, Zero-Waste-Expertin, Greenpeace
Einen wichtigen Lösungsansatz sehen wir in der Reparatur von Produkten, damit wir diese länger nutzen können.

Retouren für die Tonne

Die Umweltorganisation Greenpeace warnt schon länger, dass Retouren von Herstellern im grossen Stil vernichtet werden. Letzte Woche nun vermeldete Greenpeace in einer Medienmitteilung: «Die Händler Digitec Galaxus, Fust, Interdiscount und Competec (brack.ch) vernichten in der Schweiz laut unserer Schätzung jährlich rund 300 Tonnen neue Elektro- und Elektronikprodukte.» Die Umweltorganisation bezieht sich dabei auf Umfragen, die sie bei den Detailhändlern durchgeführt hat. Eine Tracking-Recherche bei Digitec Galaxus habe ausserdem gezeigt, dass von 25 neuen Produkten, welche die Organisation an das Unternehmen retournierte, sechs zerstört wurden, so Greenpeace. Im Textilbereich geht die Umweltorganisation davon aus, dass in der Schweiz jährlich rund 80'000 Tonnen unverkaufter oder retounierter Ware vernichtet werden.

Unterschiedliche Zahlen

Bei allen Zahlen handelt es sich um Schätzungen von Greenpeace. Sowohl die Händler aus der Textilindustrie wie auch jene aus dem Elektronikbereich geben selbst andere Zahlen an. Die Textil-Unternehmen H&M und Intidex (dazu gehören unter anderem Zara und Massimo Dutti) bleiben nach eigenen Angaben in der Schweiz jährlich auf 26, respektive 15 Tonnen Kleidern sitzen. Digitec Galaxus gibt an, der Anteil unverkaufter elektrischer und elektronischer Geräte liege im Promillebereich. Fust spricht von 1,5 Prozent und Interdiscount von 2,98 Prozent.

Beide Branchen betonten, den Grossteil dieser Produkte nicht zu vernichten, sondern an Mitarbeitende, Hilfsorganisationen oder an Secondhand-Händler weiterzugeben und so die Entsorgung zu minimieren. Auch gegen die konkreten Vorwürfe von Greenpeace wehrte sich Digitec Galaxus. Ein Sprecher betonte gegenüber der Zeitung «Le Temps», dass man die Rücksendungen, die nicht defekt seien, prüfe und sie, wenn möglich, zum Verkauf anbiete. Einzig Produkte, die man nicht verkaufen könne oder dürfe, würden aussortiert und recycelt. Das sei das «letzte Mittel». Vernichtet werde nichts. Digitec Galaxus führt seit mehreren Jahren einen Secondhandladen. Ähnlich macht es Kleiderhändler Zalando. Artikel von der Vorsaison, die nicht mehr über den Zalando-Shop verkauft werden können, bietet der Konzern auf «Zalando Lounge» mit Rabatten an. Artikel mit kleineren Mängeln wie fehlenden Knöpfen werden in Outlets verkauft. Schliesslich werden Restbestände auch an Organisationen gespendet. Laut Angaben aller Händler werden Waren nur in Ausnahmefällen vernichtet.

Ein erneuter Verkauf ist zu teuer

Die Überprüfung der Angaben ist gemäss Greenpeace schwierig, da es an Transparenz fehle. Ausserdem machten in den vergangenen Jahren auch andere Unternehmen Schlagzeilen mit Recyclingprogrammen, die keine waren. Dazu gehört etwa der Sportkonzern Nike. Ein Reporterteam aus Deutschland deckte auf, dass Nike Neuwaren systematisch vernichtet. Getarnt wurde die Aktion mit einem Recyclingprogramm. Mit ausgetragenen Sportschuhen schredderte Nike auch gleich nigelnagelneue Retouren mit, die an den Konzern zurückgeschickt worden waren.

Die Gründe für diese Vernichtungen sind oft wirtschaftlicher Natur. In Deutschland bitten laut einer Studie des EHI Retail Instituts gar ein Drittel der Onlinehändler ihre Kundschaft, Waren trotz Retouren-Anmeldung zu behalten. Die Händler erklären, dass es aufgrund hoher Kontroll-, Reinigungs- und Transportkosten wirtschaftlich bei manchen Produkten keinen Sinn mache, diese für den erneuten Verkauf aufzubereiten. Mit der Vernichtung von Neuwaren verhalten sich Händler in Deutschland mittlerweile gesetzeswidrig. Laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz hat die Abfallvermeidung oberste Priorität in der Abfallhierarchie. Konkret bedeutet dies für Onlinehändler, dass sie Neuwaren günstiger verkaufen oder spenden sollen, um Abfälle zu verhindern. In der Schweiz fehlt ein solches Gesetz momentan noch.

Barbara Wegmann, Zero-Waste-Expertin, Greenpeace
Der wichtigste Schritt ist, sich zu fragen, ob man ein Produkt wirklich braucht. Und wenn ja, ob man ein älteres Produkt reparieren oder ein Occasion-Modell finden könnte.

Endstation Occasion-Plattform oder Outlet

Einen wichtigen Hebel, um gegen die Vernichtung vorzugehen, sehen Umweltorganisationen in der Qualität der Produkte. Zero-Waste Expertin Barbara Wegmann von Greenpeace erklärt: «Einen wichtigen Lösungsansatz sehen wir in der Reparatur von Produkten, damit wir diese länger nutzen können.» Deshalb fordert Greenpeace Schweiz ein Recht auf Reparatur. Händler in der Schweiz sollen demnach reparierbare Produkte auf den Markt bringen und Zugang zu Ersatzteilen sicherstellen. Doch nicht nur die Vernichtung soll reduziert werden, sondern grundsätzlich das Retournieren von Produkten. Denn: «Retouren verursachen zusätzlichen Transport und somit hohe CO2-Emissionen. Die Aufbereitung von Retouren erfolgt teilweise sogar im Ausland, etwa in Osteuropa, was weitere Transporte mit sich zieht», erklärt Barbara Wegmann. Eine Möglichkeit, um Rücksendungen zu reduzieren, sieht sie etwa bei der Bepreisung der CO2-Emissionen, die durch den Transport entstehen. Gemäss einer Studie aus Deutschland könnte dies die Zahl der Retouren um rund 15 Prozent senken.

Nachhaltige Rabattschlachten? Ein Widerspruch!

Neben den Retouren gibt es bei Onlinebestellungen weitere Faktoren, die für die Umwelt eine Belastung darstellen. Greenpeace sieht auch bei der Verpackung von Produkten sowie der Ökologisierung des Fahrzeugparks Handlungsbedarf. Dessen ist sich auch Digitec Galaxus bewusst. Um Müllberge zu reduzieren, arbeitet der Onlinehändler an der Automatisierung von Verpackungsprozessen. Eine Maschine passt Verpackungen den Produkten an und stellt sicher, dass keine Leerräume entstehen. Zusätzlich arbeitet der Onlinehändler künftig vermehrt mit der Post-Tochter Notime zusammen, die bei der Auslieferung auf der letzten Meile auf CO2-neutrale E-Kleinfahrzeuge setzt.

Barbara Wegmann von Greenpeace sieht auch für die Konsument:innen Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit des Onlinehandels zu verbessern: «Der wichtigste Schritt ist, sich zu fragen, ob man ein Produkt wirklich braucht. Und wenn ja, ob man ein älteres Produkt reparieren oder ein Occasion-Modell finden könnte.»

Die schmutzigste Industrie der Welt
Noch nie haben wir so wenig Geld für so viele Kleider ausgegeben. Das Konsumverhalten beschleunigt sich durch die Ultra-Fast-Fashion, die ihre Billigstware auf Tik Tok bewirbt. Den Preis bezahlen die Arbeiter:innen der Textilindustrie sowie die Umwelt.