Frau Hummel, Hitzewellen in Europa stehen nachweisbar im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel. Sie treffen besonders ältere Menschen und ältere Frauen. Weshalb?
Diana Hummel: Die häusliche Betreuung von Frauen ist ganz anders organisiert als die von Männern. Bei Männern wird häufiger nach dem Krankenwagen gerufen als bei Frauen. Älteren Frauen steht oft keine häusliche Versorgung und Care-Arbeit zur Verfügung.
Was ist das dringendste Anliegen zum Thema Klima und Geschlecht?
Klimagerechtigkeit bezieht sich stark auf Machtungleichgewichte zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Diese sollte man stärker in Zusammenhang setzen mit Fragen von Geschlechtergerechtigkeit.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Wir haben ein Projekt im Bezug auf die Verbesserung der Notfallhilfe nach Flutkatastrophen in Bangladesch. Dort fragen wir uns, wie Hilfsmassnahmen gestaltet sein müssen, damit sie geschlechtergerecht sind. Es zeigt sich, dass die Gesellschaft dort noch sehr patriarchalisch organisiert ist. Da ist es oft so, dass Frauen nicht ohne die Erlaubnis eines Mannes das Haus verlassen dürfen oder ihre traditionelle Kleidung sie daran hindert, im Flutwasser zu überleben. In den Industrieländern sind die patriarchalischen Strukturen genauso vorhanden. Sie zeigen sich einfach indirekter wie an den ungleichen Lohnzahlungen zwischen Mann und Frau.
Geht es Ihnen vor allem um die Unterschiede zwischen Frauen und Männer?
Nein, mir ist es wichtig, eine Forschung zu betreiben, die nicht nur auf Unterschiede zwischen dem biologischen Geschlecht schaut, sondern auch strukturelle Gegebenheiten und Machtverhältnisse einbezieht. Frauen und Männer sind keine homogenen Gruppen. Andere Merkmale spielen ebenso eine Rolle: Das Einkommen, der Bildungsstand, das Alter und die Gesundheit. Wesentlich ist, dass Klimapolitik durch den Einbezug der Genderperspektive besser werden kann.
Wieso wird Klimapolitik so besser?
Weil sie die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern zeigt. Bei den Zielgruppen führt eine Unterscheidung auch zu mehr Akzeptanz von Lösungsansätzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Diskussion um Geschlechteridentitäten: Es gibt ja in Deutschland auch die Geschlechtsoption „divers“ bei der Festlegung des Personenstandes.
Das ändert aber nichts daran, dass es strukturelle Unterschiede zwischen Mann und Frau gerade im Bezug auf die Folgen des Klimawandels gibt, oder?
Ja. Es ist möglich zu schauen, wie sich beim Klimawandel Hitzewellen auf die Geschlechter und auf die Geschlechterbeziehungen auswirken. Wir betreiben mittlerweile auch Forschung in Industrieländern wie Deutschland. Lange war das Thema Frauen oder Geschlechterdimensionen von Klimawandel auf die Länder des Südens ausgerichtet.
Was sind Lösungsansätze?
Lokale Ansätze werden zumindest in Deutschland teilweise schon gut umgesetzt. Wir stellen in der Forschung fest, dass es eine Sensibilität für Geschlechtergerechtigkeit gibt. In Frankfurt war dies im Bereich der Wasserversorgung beobachtbar. Dort wurden die Bedürfnisse der Hausbewohner abgefragt.
Und auf der nationalen Ebene?
Es braucht Commitment von den Institutionen. Eine Umsetzung des Gender Action Plans der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Da geht es beispielsweise darum, geschlechtergerechtes Wissen rund um den Klimaschutz einzusetzen. Die Behörden müssen klären, wer für die Geschlechtergerechtigkeit verantwortlich ist und diese weiterentwickeln. Genderexpertise müsste miteinbezogen werden und Ausbildungen und Weiterbildungen dazu verfügbar sein.
Gibt es auch bewährte finanzielle Ansätze, die sich als Lösungsansätze bewährt haben?
Das ist schwierig. In unserem Projekt haben wir nur in den Handlungsempfehlungen vermerkt, dass es finanzielle Unterstützung braucht, aber da hapert es politisch.