Niki Vischer ist Expertin für nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. Im Money Talk erklärt sie, wie man sein Geld nachhaltig anlegt, wie man mit Anlagen am meisten bewirkt und was das Ziel der Finanzplatz-Initiative ist.
Welche Beziehung hast du zu Geld?
Eine schwierige. Wir alle brauchen Geld, um unsere Grundbedürfnisse zu decken, gleichzeitig haben viele Menschen nicht genug Geld. Ich selbst bin in einer privilegierten Situation, weil ich vor einigen Jahren eine Schenkung von meinen Eltern bekommen habe. So ist Geld bei mir gelandet, für das ich nichts getan habe. Ich konnte eine sehr gute Ausbildung absolvieren, was mir zu einem guten Job und Verdienst verholfen hat. Durch all diese Privilegien habe ich eine Verantwortung, die ich wahrnehmen möchte. Darum will ich verstehen, wie Geld wirken und was ich damit bewegen kann.
Redest du oft über das Thema Geld?
Ich versuche, es immer mehr zu tun. Ich glaube, wir brauchen mehr Offenheit und mehr Dialog über das Thema. Nur so lernen wir mehr über den Wert und den Einfluss von Geld.
Nachhaltiges Investieren ist vielen Frauen wichtig. Aber was heisst eigentlich «nachhaltig» in diesem Zusammenhang?
Es ist tatsächlich nicht ganz einfach, das zu definieren. Der Begriff «nachhaltig» ist nicht geschützt, und es gibt keine allgemeingültige oder standardisierte Definition – auch nicht, wenn es um nachhaltige Anlagen geht. Nach meinem Verständnis sind Investitionen nachhaltig, wenn sie sich mit bestimmten Nachhaltigkeitszielen im Einklang befinden oder dazu beitragen, diese zu erreichen. Es handelt sich dabei um Finanzprodukte, die einen sogenannten Impact-Investing-Ansatz, einen Alignment-Ansatz oder eine Mischung aus beiden verfolgen.
Kannst du diese beiden Ansätze genauer erklären?
Beim Impact-Investing geht es darum, neben der Rendite auch eine messbare, positive Wirkung auf die Realwirtschaft zu erzeugen. Zum Beispiel indem man direkt in Unternehmen, Start-ups oder Projekte investiert. Diese können durch die Zufuhr von frischem Kapital nachhaltigere Geschäftsmodelle etablieren oder bereits nachhaltiges Wirtschaften ausweiten. Mittels Crowd-Investing oder -Lending können du und ich direkt so in Firmen investieren. Diese Art des Investierens ist allerdings oft riskanter.
Und wie sieht es bei Alignment aus?
Beim Alignment geht es um Investitionen in Unternehmen, die an der Börse gehandelt werden und die entweder bereits nachhaltig wirtschaften oder in ihrem Bereich nachhaltiger sind als andere. Das heisst grundsätzlich, dass ihre Geschäftstätigkeiten mit bestimmten Nachhaltigkeitszielen verträglich sind. Man spricht auch von wertebasiertem Anlegen. Das heisst: Ich erziele meine Rendite aus einer Geschäftstätigkeit, die nachhaltig(er) ist und sich somit im Einklang mit meinen Werten befindet. Dabei muss ich mir bewusst sein, dass mein Geld in der Realwirtschaft nichts verändert. Ein Kauf oder Verkauf von Fonds, Aktien oder anderen Finanzprodukten an der Börse sorgt lediglich für einen Besitzwechsel. Ein Unternehmen wird durch meine Investition an der Börse also nicht nachhaltiger. Ausser ich nutze die Investition, um auf andere Art Einfluss zu nehmen.
Inwiefern?
Wenn ich direkt Aktien von Unternehmen besitze, habe ich gewisse Rechte. Ich kann zum Beispiel an der Generalversammlung teilnehmen, mich dort zu Wort melden, Fragen stellen, und ich habe ein Stimmrecht. Dadurch kann ich in gewissem Masse die Geschäftstätigkeit beeinflussen.
Und was ist, wenn ich in Fonds oder ETFs investiert bin?
Bei Fonds oder ETFs werden die Stimmrechte durch die Fondsleitung oder Vermögensverwalter:innen ausgeübt. Die Stimmrechte werden tendenziell nicht an End-Anleger:innen, also an dich oder mich, weitergegeben. Bekannte Beispiele sind BlackRock oder die UBS. Sie können abstimmen und in Dialog mit Unternehmen treten, um diese zu mehr Nachhaltigkeit zu verpflichten. Bei solchen Anlagen ist es wichtig, mich über die Fondsverwaltung zu informieren und zu prüfen, ob die Vermögensverwalter:in meine Haltung und Prinzipien mit ihrer Stimmrechtsausübung vertritt.
Welche Art des Investierens hat den grösseren Effekt auf die Nachhaltigkeit?
Beim Impact-Investing leistet man einen direkten Beitrag zur Nachhaltigkeit in der realen Welt. Das ist meines Erachtens das höchste Gut und das Beste, was wir mit unserem Geld tun können. Direktinvestitionen sowie das Wahrnehmen von Aktionärsrechten können auch laut der Wissenschaft viel bewirken. Bei Alignment hingegen ist eher ungewiss, wie es wirkt. Es kann immerhin eine Signalwirkung haben für den Markt, wenn immer mehr Investor:innen so anlegen.
Wie schwierig ist es heute, nachhaltig zu investieren?
Es ist nicht einfach, vor allem weil, wie gesagt, eine klare Definition und ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit fehlen. Es kann also sein, dass man zur Bank geht, sich nach einer nachhaltigen Anlagemöglichkeit erkundigt und der/die Berater:in von etwas anderem ausgeht als man selbst. Oft kommen da beispielsweise die ESG-Kriterien und ESG-Integration ins Spiel. Das sind jene Kriterien, die eine Anlage bzw. ein Unternehmen nicht nur nach der Wirtschaftlichkeit, sondern auch nach den Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung beurteilen.
Inwiefern kann man sich auf diese ESG-Kriterien verlassen?
Die Kriterien befassen sich zwar mit verschiedenen Bereichen der Nachhaltigkeit. Allerdings gibt es auch hier bisher keine allgemeingültigen Massstäbe. Ausserdem liegt der Fokus bei ESG-Ratings häufig auf finanziellen Risiken. Das heisst, es wird untersucht, inwiefern ESG-Faktoren die Rentabilität eines Unternehmens beeinflussen können. Die Umweltauswirkungen des Unternehmens fliessen hingegen eher weniger in die Berechnungen. ESG-Ratings sagen deshalb oft wenig darüber aus, ob Unternehmen eine positive Wirkung auf die Gesellschaft oder Umwelt haben.
Was rätst du einer Person, die ihr Geld nachhaltig anlegen will? Wie soll sie konkret vorgehen?
Als erstes sollte man für sich festlegen, was einem wichtig ist und wie viel Risiko man eingehen kann und will. Dazu kann man sich eine Liste machen mit Themen, die einem wichtig sind. Ausserdem sollte man sich Gedanken dazu machen, ob man eher wertebasiert oder impactbasiert investieren will oder beides. Und dann lohnt es sich, sich etwas über Unternehmen oder Produkte zu informieren und in Beratungsgesprächen kritische Fragen zu stellen.
Was fragt man denn, um die richtigen und wichtigen Informationen zu bekommen?
Man kann nicht genug Fragen stellen! Das ist wichtig, und davor sollte man auch keine Angst oder Hemmungen haben: Wie wirkt meine Anlage konkret? Wie werden die Unternehmen für einen Fonds ausgesucht? Wie ist das Rating zustande gekommen? Welcher Vermögensverwalter steht hinter dem Fonds?
Wie bist du selbst investiert?
Auch bei mir befindet sich alles noch im Prozess. Ich habe Crowd-Investings unterstützt – unter anderem von einer nachhaltigen Kleidermarke in Zürich. Das mache ich aufgrund des Risikos jeweils mit etwas bescheideneren Beträgen. Ausserdem habe ich Aktien, ETFs und einige Fonds. Gerade bei den Fonds bin ich aber auch teilweise nicht sicher, ob sie noch zu meinen Werten passen oder die Wirkung verfolgen, die ich mit ihnen verfolgen möchte. Da steck ich in der Recherche.
Warum ist es so wichtig, wie wir unser Geld anlegen?
Geld spielt eine Schlüsselrolle beim Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Damit der Wandel stattfinden kann, brauchen wir mehr Investitionen in nachhaltigere Wirtschaftsarten. Es fehlt bis heute viel Geld – allein schon, um internationale Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Für die Erreichung der Entwicklungsziele der UNO beispielsweise fehlen jährlich rund 4 Billionen US-Dollar an Investitionen.
Unsere These: Die Finanzwelt wäre nachhaltiger, würden mehr Frauen investieren. Immerhin sagen 92 Prozent der Frauen, dass ihnen Nachhaltigkeit beim Investieren wichtig ist. Was sagst du dazu?
Diese These ist durchaus interessant, gerade wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt. Das zeigt auch, dass es umso wichtiger ist, das Wissen über Nachhaltigkeit und Anlegen zu fördern. So können Frauen motiviert werden, zu investieren und ihre Wirkung einzufordern.
In der Schweiz ist die Finanzplatz-Initiative in Arbeit. Auch Greenpeace wirkt da mit. Worum geht es bei der Initiative?
Die Schweiz hat ihren grössten globalen Hebel im Finanzwesen. Darunter befindet sich auch rund ein Viertel des globalen grenzüberschreitenden Vermögens. Die Schweiz soll diesen Hebel für die Nachhaltigkeit nutzen. Die Initiative will Schweizer Finanzinstitute dabei unterstützen, dass diese ihre Geschäftstätigkeit an den internationalen Klima- und Umweltzielen ausrichten. Die Finanzmarktakteure profitieren allesamt von den Geldern und den Mitteln, die in der Schweiz verwaltet werden. Die Initiative will darum, dass die Finanzmarktakteure hier auch Verantwortung wahrnehmen. Hinter der Initiative steht eine Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien.
Das klingt, als könnte die Initiative auf viel Gegenwind stossen?
Es ist schwierig abzuschätzen. Die Finanzbranche vertritt die Haltung, dass sie an der Selbstregulierung arbeitet oder freiwillig agiert und es dementsprechend keine weiteren Regulierungen braucht. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass Freiwilligkeit und Selbstregulierung nicht ausreichen. Es fehlt an branchenübergreifenden Standards, Transparenz und Durchsetzbarkeit. Die Initiative ist eine Lösung, um alle auf denselben Stand zu bringen und die Finanzbranche dazu zu verpflichten, ihren Beitrag für eine nachhaltige Wirtschaft zu leisten.
Wie ist der Stand der Dinge bei der Initiative?
Aktuell werden der Initiativtext finalisiert und diverse juristische Punkte abgeklärt. Danach geht es an die Unterschriftensammlung. Wann die Initiative genau lanciert wird, ist noch nicht ganz klar.
Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich weiterhin meine Grundbedürfnisse decken und mir Dinge ermöglichen kann, die mir Freude machen. Ausserdem hoffe ich, dass ich weiterhin die Möglichkeit habe, mit meinem Tun und meinem Geld etwas zu bewirken.