Unser Altersvorsorge beruht auf drei Säulen, das weiss fast jede. Nur: Einzahlen darauf lässt sich nur, wer eine bezahlte Arbeit hat. Sowohl in die Pensionskasse (2. Säule) als auch in die steuerlich begünstigte Säule 3a können nur Menschen einzahlen, die einen Job haben. Beziehungsweise einen, für den sie einen Lohn in Geld bekommen.
Bei der ersten Säule gibt es eine Ausnahme: die sogenannten Erziehungs- und Betreuungsgutschriften. Diese Gutschriften sind jedoch keine Geldzahlungen, sondern fiktive Einkommen, die erst bei der späteren Rentenberechnung berücksichtigt werden. Immerhin, könnte man sagen. Die Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften sind so hoch wie die dreifache jährliche AHV-Minimalrente zum Zeitpunkt der Pensionierung – im Jahr 2021 sind das 43'020 Franken, fiktiv, versteht sich.
Haushalts- und Care-Arbeit fehlt die Wertschätzung
Frauen, die nicht erwerbstätig sind, sind für die Rente schlecht abgesichert. Da lesen sich die jüngsten Urteile des Bundesgerichts wie ein Hohn auf alle Frauen, die jahrelang geputzt und geschrubbt, Kinder geboren und begleitet und nebenbei den Haushalt besorgt haben. Das höchste Gericht der Schweiz hat 2021 entschieden, dass bei einer Trennung oder Scheidung Unterhaltszahlungen nicht mehr automatisch bis zur Pensionierung ausbezahlt werden. Das heisst: Eine Ehe ist keine lebenslange Absicherung mehr und alle, die darauf vertraut haben und ihre Erwerbstätigkeit zugunsten von der Familie zurückgestellt oder gar darauf verzichtet haben, stehen mit abgesägten Hosenbeinen da.
Auch wenn die Gerichte im Einzelfall entscheiden müssen, ob eine Ehe lebensprägend war, ob noch Kindes- und Betreuungsunterhalt geschuldet ist, so ist die Erwartungshaltung von Gesetz und Gericht klar: Frauen, behaltet eure Jobs.
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Die Vereinbarkeits-Saga
Wenn wir die Jobs behalten – was ich gut finde – müssen wir aber Vereinbarkeit hinbekommen. Vereinbarkeit, dass ich nicht lache. Die gibt es nur im Märchen. Ich habe eigentlich schon gar keine Lust mehr aufzuzählen, was wir alles brauchen, so oft habe ich es in den letzten Jahren wiederholt. Wir wissen es alle: Elternzeit, Individualbesteuerung, Tagesschulen, flexible Arbeitszeiten, ein faires Sozialversicherungssystem und einen Staat, der endlich nicht mehr falsche Anreize setzt für bloss ein Familienmodell: Mann hat Vollzeitjob und Frau jongliert schlecht bezahlte Teilzeitstelle mit Kids und Haushalt mit der ganzen Familienplanung oder Mental Load obendrauf.
Wer macht den Rest der Arbeit?
Hier stimmt was nicht. Der Staat macht einen groben Rechenfehler: Wenn wir nämlich alle voll erwerbstätig sind, dann frage ich mich, wer dann eigentlich noch die unzähligen Stunden von Care- und Haushaltsarbeit leistet? Diese 242 Milliarden Franken, für die Frauen heute unbezahlt arbeiten? Soll etwa ein Roboter unseren Kindern und Alten den Mund putzen? Oder haben sie schon einmal einen Manager aus dem Bauch seiner Mutter und in die Bank am Paradeplatz springen sehen? Natürlich nicht. Jeder Mensch braucht Fürsorge irgendwann in seinem Leben. Was in diesem System hier fehlt, ist ihre Wertschätzung. Ohne unbezahlte Arbeit würde alles stillstehen. Sie darf aber nicht dazu führen, dass Frauen in die Altersarmut und in die Abhängigkeit getrieben werden. Die unbezahlte Arbeit muss endlich auch von unserem Wirtschafts- und Sozialversicherungssystem angemessen anerkannt und wertgeschätzt werden.
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