Vor wenigen Tagen habe ich es endlich geschafft: Ich habe wieder einmal in meine Säule 3a einbezahlt. Zwar nicht den Maximalbetrag, aber immerhin. Ich war ganz zufrieden mit mir, zumindest einen Moment lang.
Das anfänglich gute Gefühl verflog jedoch ziemlich schnell. Plötzlich fand ich es wahnsinnig unfair. Unfair, dass ich mich selbst darum kümmern muss, im Alter nicht arm zu sein und dereinst einigermassen würdevoll leben zu können.
Ich habe zwei Kinder und seit fünf Jahren mein Erwerbspensum auf 60 Prozent reduziert. Die anderen 40 Prozent arbeite ich auch. Allerdings leiste ich da keine gesellschaftlich und wirtschaftlich anerkannte und bezahlte Erwerbsarbeit, sondern unbezahlte Care-Arbeit. Das wird noch eine Weile so bleiben. Das System ist selbst gewählt und für unsere Familie stimmig.
Was weder stimmig noch selbst gewählt ist, ist die Tatsache, dass ich aufgrund dieses Modells eine relativ hohe Chance habe, im Alter finanziell schlecht dazustehen. Bedanken kann ich mich, gemeinsam mit vielen anderen Frauen, bei unserem Rentensystem. Ein System, das nicht für unsere Bedürfnisse oder unsere Lebensrealitäten gemacht ist.
Denn es belohnt jene, die jahrelang ohne Unterbrüche Vollzeit erwerbstätig sind, dabei idealerweise die Karriereleiter hochklettern und gut verdienen. Also vornehmlich Männer. Wer eine Erwerbsbiografie hat, die nicht linear verläuft, die geprägt ist von Unterbrüchen, Teilzeitarbeit, karrieremässigen oder finanziellen Rückschritte und/oder tiefen Löhnen, gehört zu den Verlierer:innen. Das sind in den meisten Fällen die Frauen.
Fakt ist: Zwei von drei Säulen unseres Rentensystems sind nur zugänglich, wenn man erwerbstätig ist. Mit einer Säule 3a privat vorsorgen kann, wer einen Job mit einem AHV-pflichtigen Einkommen hat. In die berufliche Vorsorge, die zweite Säule, kann einzahlen, wer mindestens 22’050 Franken pro Jahr verdient. Wer weniger Einkommen oder mehrere Jobs mit tieferen Löhnen hat, ist raus. Wer keiner Erwerbsarbeit nachgeht, sowieso. Und dank des Koordinationsabzugs wird das Sparen in der zweiten Säule auch für all jene schwierig, deren Einkommen beispielsweise aufgrund von Teilzeitarbeit nur knapp über diesen 22'050 Franken liegt.
Die ganze unbezahlte Care-Arbeit wie Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen wird weder in der privaten noch der beruflichen Vorsorge honoriert. Sie zählt schlicht nicht als Arbeit, die entlohnt werden soll. Einzig in der staatlichen Vorsorge, der AHV, gibt es für diese Tätigkeiten Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die der Rente angerechnet werden. Immerhin.
Wirklich viel bringt das uns Frauen nicht. Auch mit diesen Gutschriften bekommen wir im Schnitt noch immer ein Drittel weniger Rente als Männer und sind doppelt so oft von Altersarmut betroffen. Etwas mehr als ein Viertel der Renter:innen erhält heute nur eine AHV-Rente. Das ist denkbar ungünstig in einem Vorsorgesystem, das aufbauend ist. Zur Erinnerung: Die drei Säulen der Vorsorge stehen eigentlich nicht nebeneinander, sondern übereinander. Die AHV soll die Existenz sichern, die berufliche Vorsorge dafür sorgen, dass wir unseren Lebensstandard nach der Pensionierung halten können, und die private Vorsorge wäre als Bonus gedacht. Dieser Aufbau funktioniert für viele Frauen offensichtlich nicht: System Error.
Die Altersvorsorge ist politisch ein grosses Thema. Über eine AHV-Reform haben wir erst vor Kurzem abgestimmt. Im nächsten Jahr steht eine Reform der beruflichen Vorsorge an. Ob diese aber eine echte Verbesserung für Frauen bringen wird? Ich wage es zu bezweifeln, vor allem nach den jüngsten Wahlen.
Was können wir also tun? Ich würde sagen, wir sind fürs Erste weiterhin auf uns gestellt. Denn solange unser Vorsorgesystem nur Erwerbsarbeit als Arbeit anerkennt, nur hohe Erwerbspensen und Löhne für faire Renten sorgen und die Lebensrealitäten von Frauen ausgeblendet werden, solange müssen wir uns selbst darum kümmern, dass wir als Seniorinnen ein würdevolles Leben führen können.
Mir ist bewusst: Dass ich diese Möglichkeit habe und eine Säule 3a besitze, ist ein schönes Privileg. Es können sich längst nicht alle leisten, Geld in die private Vorsorge einzuzahlen. Umso mehr sollte, wer diese Möglichkeit hat, sie auch nutzen. Und dann gibt es da noch eine andere Sache, die wir tun können: Wir müssen über die Missstände reden. Die monetäre Anerkennung von Care-Arbeit fordern. Am System rütteln. Wir können politische Prozesse verfolgen, uns einbringen und uns immer wieder lautstark dafür einsetzen, dass unser Rentensystem an unsere Lebensrealität angepasst wird. Sodass eine faire Rente für Frauen kein Privileg bleibt, sondern eine Selbstverständlichkeit wird.